Vorsicht bei der Nutzung von »Dashcams«
Private Videoaufnahmen als Beweismittel im Verkehrs- und Strafrecht
Die Nutzung sog. Dashcams erfreut sich immer größerer Beliebtheit bei deutschen Autofahrern. Als Dashcams werden kleine Kameras bezeichnet, die auf dem Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe befestigt werden und wie Helmkameras beim Skifahren oder beim Downhill-Biken den Fahrtverlauf aufzeichnen. Die Aufzeichnungen dienen dabei oftmals weniger dem Zweck, das eigene Können oder eine Fahrt in landschaftlich schöner Umgebung aufzuzeichnen, als vielmehr einer erhofften Beweiserleichterung nach einem Verkehrsunfall.
Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten! Einerseits können die Videoaufzeichnungen auch als Beweismittel gegen den Fahrer selbst Verwendung finden. Andererseits ist ihre Verwendung als Beweismittel im Rahmen der Unfallregulierung rechtlich umstritten.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Eine konkrete gesetzliche Regelung zum Einsatz von Dashcams oder zur Verwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen fehlt in Deutschland. Es findet sich in den Gesetzen aber auch keine explizite Verbotsregelung zur Nutzung von Dashcams. Auf die Frage, ob der Einsatz der kleinen Kameras damit vollumfänglich erlaubt ist, muss dennoch mit einem klaren »Nein« geantwortet werden.
Der Einsatz von Dashcams kann gegen das geltende Recht verstoßen, da andere Verkehrsteilnehmer mit amtlichem Kennzeichen gefilmt und diese Daten gespeichert werden, ohne dass der Betroffene dies mitbekommt oder gar weiß, was mit seinen persönlichen Daten geschieht. Dabei sei an dieser Stelle bewusst die Frage ausgeklammert, ob Dashcams nach § 4d Bundesdatenschutzgesetz formal bei den zuständigen Landesdatenschutzbehörden anzumelden sind.
Zur Bewertung der Zulässigkeit sind dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) der gefilmten Personen im Wege der Einzelfallprüfung die verfassungsrechtlich geschützten Positionen der übrigen Beteiligten gegenüberzustellen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) schützt den Einzelnen mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung davor, ohne Kenntnis oder Zustimmung von einer Videoaufnahme erfasst und aufgezeichnet zu werden. (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3293) Gerade Videoaufnahmen im Straßenverkehr, die mit einer dauerhaften Aufzeichnung verbunden sind, können einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht begründen. (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1505 zur automatisierten Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen)
Eine obergerichtliche Rechtsprechung, die für die nachrangigen Gerichte den Weg der Interessenabwägung vorzeichnet, existiert für den speziellen Fall der Dashcam bisher nicht. Die existierende Rechtsprechung zu diesem Thema ist der Interessenlage im konkreten Einzelfall geschuldet. Grundsätzlich gilt für Videoaufnahmen jedoch folgendes:
Dienen die Aufnahmen lediglich privaten Zwecken, um etwa eine Fahrt in landschaftlich schöner Umgebung für den ausschließlich persönlichen oder familiären Gebrauch festzuhalten (Nutzung als »Actioncams«), wird nicht gegen das geltende Recht verstoßen. Unbeteiligten Personen, die als Passanten oder Verkehrsteilnehmer mit auf das Bild geraten, fehlt es an einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Es handelt sich hierbei eher um eine technikbedingte Miterfassung, der keine Eingriffsqualität zukommt. (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3293, 3294) Diese Verwendung der Kameras wird aber regelmäßig nur bei Motorradfahrern oder Oldtimer-Freunden zu finden sein.
Exkurs ins europäische Ausland: Achtung Motorradfreunde! Auf dem Weg nach Südtirol besteht die grundsätzliche Gefahr hoher Bußgelder. Denn in Österreich unterliegen permanente Videoaufzeichnungen im öffentlichen Bereich grundsätzlich der Genehmigungspflicht durch die Datenschutzbehörde. Dem Einsatz von Dashcams wurde in Österreich eine Absage erteilt. Angesichts des Umstandes, dass die österreichische und die deutsche Rechtsordnung vergleichbar sind, kann aber meiner Meinung nach wie in Deutschland mit dem Verwendungszweck argumentiert werden. Zulässig scheint die generelle Verwendung von Cams dagegen in Dänemark, Großbritannien, Italien, Niederlande, Frankreich und Spanien zu sein. Teilweise erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken werden in Belgien, Luxemburg, Norwegen, Portugal, Schweden und der Schweiz geäußert. Auch bei unseren europäischen Nachbarn ist also noch alles im Fluss. Ansonsten gilt wie in Deutschland auch: Wo kein Ankläger, da kein Richter!
Wenn sich aber infolge eines Verkehrsunfalles der Kontakt zu einem konkreten Verkehrsteilnehmer hergestellt wird, kann dieser durch die Aufzeichnung in seinem Persönlichkeitsrecht sehr wohl verletzt sein.
Die Schwelle zur datenschutzrechtlich erheblichen Nutzung ist jedenfalls dann überschritten, wenn die Aufzeichnungen ins Internet gestellt werden sollen, ohne Personen und Autokennzeichen unkenntlich zu machen oder wenn Sheriff gespielt wird.
So hat etwa das Verwaltungsgericht Ansbach (Urt. v. 12.08.2014 − Az. AN 4 K 13.01634) entschieden, dass ein Verstoß vorliegt, wenn Videoaufzeichnungen in der Absicht gemacht werden, sie später ins Internet zu stellen − auf Youtube und Facebook hochzuladen − oder um mit ihnen ein Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer bei der Polizei zu belegen.
Exkurs »Fahndung via Facebook«: Fahndungsaufrufe dürfen nur durch Ermittlungsbehörden gestartet werden; ein Fahndungsaufruf mit Bild des Verdächtigten sogar nur bei schweren Straftaten (§ 131b Abs. 1 StPO). Durch einen privaten Fahndungsaufruf kann das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten verletzt und gegen Strafgesetze verstoßen werden. So wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen den §§ 22, 33 KunstUrhG ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt (§ 33 KunstUrhG). Daneben können die Straftatbestände der Verleumdung, üblen Nachrede oder Beleidigung (§§ 185 ff. StGB) erfüllt werden. Fahndungsaufrufe der Ermittlungsbehörden − nicht: private Fahndungsaufrufe − können aber bedenkenlos gelinkt und geteilt werden.
Damit liegt das Verwaltungsgericht Ansbach ganz auf Linie mit den Datenschutzbehörden, die außerhalb der privaten Nutzung als Actioncams grundsätzlich von einer Unzulässigkeit der Dashcams auszugehen, da die schutzwürdige Interessen anderer Verkehrsteilnehmer regelmäßig überwiegen.
Verwertbarkeit im Zivil- oder Strafverfahren
Was bedeutet das jetzt für die Verwertung der Videoaufnahme im Zivil- oder Strafverfahren? Sind die gewonnenen Videoaufzeichnungen als Beweismittel verwertbar oder nicht? Immerhin ist die eigene Erinnerung in Verkehrsunfallsituationen häufig getrübt und die Möglichkeit des Rückgriffs auf die Dashcam-Aufzeichnung könnte helfen, den entscheidenden Beweis zu führen.
Allein die Rechtswidrigkeit der Beschaffung von Beweismitteln führt nicht zwangsläufig zur Annahme eines Beweisverwertungsverbots. Es ist wiederrum eine Interessen- und Güterabwägung im Einzelfall vorzunehmen. Im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen ist dabei zu beachten, dass das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) der Rechtspflege zwar eine hohe Bedeutung zumisst, allerdings kommt dem Interesse an der Zivilrechtspflege nicht generell ein überwiegendes Gewicht zu. Es müssen vielmehr weitere Gesichtspunkte hinzutreten, die das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Rechtsverletzung als schutzbedürftig erscheinen lassen. (vgl. Anm. Bull zu: BVerfG, NJW 2009, 3279; BVerfGE 117, 202; BGHZ 162, 1)
Führt die durchzuführende Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass die Belange der gefilmten Person Vorrang haben, ist eine Verwertung der Videoaufnahme im zivilrechtlichen Verfahren unzulässig. Überwiegen dagegen berechtigte Interessen des aufzeichnenden Fahrzeugführers, wird auch die Verwertung zulässig sein.
Für das strafrechtliche und das bußgeldrechtliche Verfahren gilt folgendes: Die Polizeibehörden und die Staatsanwaltschaften können und werden im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren zum Beweis des Verschuldens des Fahrzeugführers auf die ggf. eigenen Videoaufzeichnungen zurückgreifen. Hier wird der Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer hinter dem Verfolgungsinteresse des Staates regelmäßig zurücktreten.
Rechtsprechungsübersicht
Besonders deutlich zeigt sich die uneinheitliche Rechtslage beim Blick auf die Rechtsprechung zur Frage der Verwertbarkeit von Videoaufnahmen in einem gerichtlichen Schadenersatzprozess nach einem Verkehrsunfall.
1. Amtsgericht München
Für die Durchsetzung von unfallbedingten Schadenersatzansprüchen hat etwa das Amtsgericht München (Az.: 343 C 4445/13) am 06.06.2013 die Verwertung einer selbst aufgenommenen Videoaufzeichnung für zulässig erachtet, wenn der Filmende (hier: Fahrradfahrer, der während der Fahrt ein Video aufgenommen hat) zum Zeitpunkt der Aufnahme noch keinen bestimmten Zweck verfolgt hat. Das Gericht führte dazu aus, dass es keinen Unterschied machen könne, ob die Beweismittel erst nach dem Unfall gewonnen werden oder bereits angefertigte Aufnahmen nun mit bestimmter Zielrichtung verwertet werden.
Eine andere Abteilung desselben Amtsgerichts hat in einem anderen Verkehrsunfallprozess (Hinweisbeschluss vom 13.08.2014 − Az: 345 C 5551/14) dagegen die Auffassung vertreten, dass die Bestimmungen des Datenschutzrechtes und des Kunsturhebergesetzes einer Verwertung entgegenstehen.
Diese Abteilung des Amtsgerichts München begründet seine Auffassung damit, dass das Beweiserhebungsinteresse jedenfalls dann nicht die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts überwiege, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass eine gerichtliche Beweisführung wegen einer erheblichen Beeinträchtigung in naher Zukunft unmittelbar erforderlich wird. Die bloße Möglichkeit des Notwendigwerdens einer Beweisführung aufgrund der generellen Gefährlichkeit des Straßenverkehrs genügt diesen Anforderungen dagegen nicht.
Das Gericht warnt: »Die Zulassung solcher Videos als Beweismittel durch die Zivilgerichte würde zweifellos zu einer weiten Verbreitung oder sogar standardmäßigen Ausstattung mit Carcams führen. Was mit den so gefertigten Aufzeichnungen geschieht und wem diese zum Beispiel über eine Cloud zugänglich gemacht werden, wäre jeglicher Kontrolle insbesondere durch die aufgezeichneten Personen entzogen. Ebenso wäre eine Auswertung durch eine entsprechende Gesichtserkennungssoftware jeder Kontrolle entzogen. Damit wäre eine privat organisierte dauerhafte und flächendeckende Überwachung sämtlicher Personen, welche am öffentlichen Verkehr teilnehmen, denkbar. Im Gegensatz zur dauerhaften Offenbarung privater Daten in Diensten wie Facebook, wo dies von den Teilnehmern freiwillig geschieht, wäre dieser Datensammlung jedermann ausgesetzt, der sich in die Öffentlichkeit begibt.«
2. Amtsgericht Nienburg (Urteil vom 20.01.2015 − Az.: 4 Ds 520 Js 39473/14 (155/14))
Das Amtsgericht Nienburg (Urteil v. 20.01.2015 − Az.: 4 Ds 520 Js 39473/14 (155/14)) entschied dagegen für die Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen. Bei dieser Entscheidung muss man sich aber vergegenwärtigen, dass das Amtsgericht Nienburg sich als Strafgericht mit einem Fall zu befassen hatte, bei dem der Angeklagte dem vor ihm fahrenden Fahrzeug bei 100 km/h sehr dicht auffuhr, es bei nächster Gelegenheit überholte und danach sofort wieder auf die Fahrbahn einscherte und deutlich abbremste. Um einem Unfall zu entgehen, musste der Fahrzeugführer des überholten Fahrzeuges auf die linke Spur ausweichen und überholt nun seinerseits den Angeklagten. Der Angeklagte zog sein Fahrzeug nach links und minimierte damit den Seitenabstand zwischen den beiden Fahrzeugen auf wenige Zentimeter. Der Fahrzeugführer des überholten Fahrzeuges hatte erst kurz nach dem dichten Auffahren die Dashcam aktiviert, um einen eventuellen Unfall dokumentieren zu können.
Das Amtsgericht Nienburg führt zur Begründung aus, dass die Videoaufzeichnungen hier anlassbezogen und damit im Einklang mit Datenschutzrecht erstellt worden seien, weil die Kamera nicht dauerhaft gelaufen, sondern erst eingeschaltet worden sei, als die konkrete Gefahr eines Verkehrsunfalls bestanden habe. Dem könne entgegen der Auffassung des Amtsgerichts München und des Verwaltungsgerichts Ansbach auch nicht entgegengehalten werden, dass die Aufzeichnung möglicher Weise später unzulässig im Internet veröffentlicht oder zu anderweiten Zwecken missbraucht werden könnte, da die Gefahr des späteren Missbrauchs von ursprünglich zulässig gefertigten Beweismitteln immer bestehe. Die abstrakte Furcht vor allgegenwärtiger Datenerhebung und dem Übergang zum Orwell'schen Überwachungsstaat dürfe nicht dazu führen, dass sachgerechte technische Hilfsmittel zur effektiven Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung kategorisch vorenthalten werden.
Das Amtsgericht Nienburg betont aber ebenfalls, dass es sich um eine Frage des Einzelfalls handelt, ob Dashcam-Aufzeichnungen verwertet werden dürfen oder nicht.
3. LG Heilbronn (Urteil vom 03.02.2015 – Az.: I 3 S 19/14)
Das Landgericht Heilbronn hatte sich im Rahmen eines Verkehrsunfallprozesses mit der Verwertbarkeit einer Dashcam-Aufzeichnung zu befassen. Mittels einer im Fahrzeug installierten Dashcam war der Unfallhergang offenbar aufgenommen worden. Die in Beweisnot geratene Klägerin berief sich auf die Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnungen. Nach der vorläufigen Bewertung des eingeschalteten Kfz- Sachverständige, hätte die Videoaufnahme ggf. weitere Erkenntnisse für die technische Rekonstruktion des Unfalls liefern können. Das zuvor mit der Sache befasste Amtsgericht Besigheim (Urteil vom 23.05.2014 – Az.: 7 C 907/13) hatte eine Verwertung dieses Beweismittels nicht zugelassen.
Das Landgericht Heilbronn schloss sich der Bewertung des Amtsgerichts mit der Argumentation an, dass Videoaufzeichnungen, die ohne Kenntnis des Betroffenen angefertigt werden, lediglich nach den Grundsätzen über die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel ausnahmsweise zulässig sind. So seien Abbildungen von Passanten und Verkehrsteilnehmern auf öffentlichen Straßen und Wegen, die nur als Beiwerk des Stadt- oder Straßenbildes mit erfasst werden, von diesen zwar hinzunehmen. Gehe es jedoch um die gezielte und verdeckte Fertigung permanenter Bildaufnahmen, müsse dann etwas anderes gelten, wenn die Betroffenen nicht absehen können, ob Aufzeichnungen gefertigt werden. Dies sei vorliegend der Fall und die einzelfallbezogenen Umstände haben kein überwiegendes Interesse an der Beweissicherung begründen können. Einer Verwertung als Beweismittel stehe entscheidend entgegen, dass die Videoaufzeichnung zeitlich nicht von vornherein auf das konkrete Unfallgeschehen begrenzt war, sondern vielmehr ein zeitlich separierter Teil der Aufnahmen erst nachträglich zur Beweissicherung bestimmt worden sei.
4. Amtsgericht Nürnberg (Urteil vom 08.05.2015 − Az.: 18 C 8938/14)
Das Amtsgericht Nürnberg hatte sich ebenfalls mit der Verwertbarkeit einer Dashcam-Aufzeichnung zu befassen. Der Kläger filmte das Verkehrsgeschehen mittels einer Dashcam aus seinem Fahrzeug heraus. Anhand der Videoaufzeichnung wollte er seine Darstellung vom Unfallgeschehen beweisen.
Das Amtsgericht Nürnberg kam zu dem Ergebnis, dass die Videoaufzeichnungen verwertbar seien, da das Interesse des Klägers an der vollständigen Unfallaufklärung schwerer wiege und ein erhebliches und legitimes Interesse an der Zulassung des Beweismittels bestünde, um die Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Die Videoaufzeichnung könne ferner dazu dienen, dem Gericht eine materiell richtige, mit dem wirklichen Sachverhalt übereinstimmende Entscheidung zu ermöglichen. Die Aufzeichnung des Verkehrsgeschehen würden zudem nicht den absoluten Kernbereich der privaten Lebensgestaltung des Beklagten berühren, der Beklagte werde nicht herabgewürdigt, der aufgezeichnete Lebenssachverhalt sei auf einen sehr kurzen Zeitraum begrenzt und der Beklagte sei nicht einmal als Fahrer des Beklagtenfahrzeuges identifizierbar.
Es bleibt zu hoffen, dass sich der Beklagte anfangs nicht zu siegessicher fühlte. Denn das Gericht wies zunächst darauf hin, dass es sich der Rechtsauffassung des Amtsgerichts München anschließe und von einem Beweisverwertungsverbot ausgehe. In den Urteilsgründen führt das Gericht hierzu aus: »Es steht dem Gericht jedoch zu, in dieser höchst strittigen Rechtsfrage, zu der bisher höchstrichterliche Rechtsprechung nicht existiert, seine geäußerte Auffassung zu überdenken und nach erneuter Prüfung zu einer anderen Rechtsauffassung zu gelangen. Insoweit teilt das Gericht nunmehr die […] Rechtsauffassung, dass die Verwertung von privaten Videoaufzeichnungen von Verkehrsvorgängen als Beweis verwertbar sein können.«
Fazit
Die Frage, ob Dashcam-Aufzeichnungen in einem zivilgerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall verwertet werden dürfen, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Aufgrund der im Fluss befindlichen Rechtsprechung, kann derzeit keine allgemeingültige Aussage darüber getroffen werden, wann die Verwertung einer Dashcam-Aufzeichnungen in Verkehrsunfallprozessen als zulässig erachtet wird und wann nicht.
Legt man die derzeitige Ausrichtung in der Rechtsprechung zugrunde, scheint einer Verwertung im Zivilprozess jedenfalls dann nichts entgegenzustehen, wenn der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht auf einen kurzen Zeitraum begrenzt war, also die Dashcam wegen einer konkreten Gefahrensituation eingeschaltet wurde.
Teils werden daher sogar technischen Vorkehrungen befürwortet, die das Aufzeichnen auf das unmittelbare Unfallgeschehen begrenzen (vgl. Balzer/Nugel, Minikameras im Straßenverkehr – Datenschutzrechtliche Grenzen und zivilprozessuale Verwertbarkeit der Videoaufnahmen, in: NJW 2014, 1622 ff.), wohingegen andere dafür keinerlei Anlass erblicken und sogar unabhängig von der datenschutzrechtlichen Bewertung, die Verwertung von Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel im Zivilprozess als generell zulässig erachten. (vgl. Greger, Kamera on board – Zur Zulässigkeit des Video-Beweises im Verkehrsunfallprozess, in: NZV 2015, 114) Ob man aber mit einem überragenden Interesse an der Wahrheitsfeststellung tatsächlich alle Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wegargumentieren kann (so das AG Nürnberg, Urt. v. 08.05.2015 − Az.: 18 C 8938/14 im Anschluss an Greger, NZV 2015, 114), ist meines Erachtens zweifelhaft. Es kommt vielmehr ganz entscheidend auf die Argumentation (und das eigene Parteiinteresse) im Einzelfall an.
Die Frage, ob Dashcam-Aufzeichnungen in einem strafrechtlichen Verfahren verwertet werden dürfen, stellt sich meines Erachtens nicht, da die Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hinter dem staatliche Verfolgungsinteresse zurücktritt.