Doppelbesteuerung:
Internationales Steuerrecht


1) Ein im Inland (hier: Deutschland) ansässiger Steuerpflichtiger, der ein Geschäft im Ausland durchführt und dabei den Besteuerungstatbestand des anderen Staates verwirklicht, unterliegt auch der dortigen Besteuerung. Er löst damit einen Geschäftsvorfall aus, der als "Outbound-Transaktion" bezeichnet wird. Nach dem Welteinkommensprinzip des § 1Abs. 1 Einkommenssteuergesetz sowie des § 1 Abs. 1 Körperschaftssteuergesetz unterliegen alle im Inland (hier: Deutschland) ansässigen Steuerpflichtigen mit allen Einkünften auf der ganzen Welt - unabhängig davon, wo die Quelle der Einkünfte ist - in Deutschland der Besteuerung.

Da der Steuerpflichtige nach dem deutschen Steuerrecht unbeschränkt mit seinen Welteinkünften steuerpflichtig ist, kommt es somit regelmäßig zu Fällen der so genannten Doppelbesteuerung. Diese Besteuerung fällt auch dann an, wenn der Steuerpflichtige im Ausland ebenfalls zu einer der deutschen Einkommen- oder Körperschaftssteuer vergleichbaren Steuer herangezogen wird. Dies wird natürlich zur Belastung des Steuerpflichtigen, wenn nicht unilaterale Maßnahmen oder die noch im Folgenden zu erläuternden bilateralen Maßnahmen eines Doppelbesteuerungsabkommens ( DBA) diese Steuerlast mindern oder sogar vollständig vermeiden.

2) Doppelbesteuerungsabkommen sind internationale Verträge zwischen zwei oder mehreren Staaten, die Regelungen zur Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte enthalten. Diese Abkommen haben also das Ziel, eine Doppelbesteuerung zu beseitigen oder zu mildern.

Doppelbesteuerungsabkommen regeln, welcher Staat Besteuerungsrechte wahrnehmen darf. Die Abkommen schaffen keine neue Besteuerungsrechte.

Deutschland hat mit ca. 100 Staaten Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Besteuerung von Einkommen und Vermögen. Eine Auflistung der aktuellen, von Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen wird jedes Jahr im Bundessteuerblatt I Nr. 1 veröffentlicht. Dabei orientieren sich diese Doppelbesteuerungsabkommen am OECD-Musterabkommen. Dieses Musterabkommen wurde erstmals 1963 veröffentlicht und zwischenzeitlich des Öfteren überarbeitet. Ergänzt wird dieses Musterabkommen durch das UN-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sowie das "Anden-Modell" (1971 von den Anden-Staaten publiziert).

Die Doppelbesteuerung kann nun durch zwei Methoden vermieden werden: entweder durch die "Freistellungsmethode" oder die "Anrechnungsmethode".

a) Bei der Freistellungsmethode vermeidet der Staat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, die im Ausland besteuerten Einkünfte. Das heißt: Es wird nur Steuer im Ausland gezahlt. Diese Freistellungsmethode kann im Einzelfall zur Vornahme von Steuergestaltungen führen, da hierdurch nicht nur eine Mehrbelastung des Steuerpflichtigen vermieden, sondern auch das niedrigere Steuerniveau des Quellenstaates ausgenutzt werden kann.

b) Im Gegensatz hierzu werden bei der Anrechnungsmethode die im Ausland gezahlten Steuern "angerechnet". Die Vorschrift des § 34 c Einkommenssteuergesetz enthält eine solche Anrechnungsmethode. Diese einzelnen Grundsätze der Doppelbesteuerungsabkommen mögen zunächst einmal für diese kurze Darstellung genügen.

3) Internationale Wirtschaftsbeziehungen sollen durch Doppelbesteuerungsabkommen gefördert, zumindest aber nicht steuerlich behindert werden. Dabei können aber Doppelbesteuerungsabkommen auch zur Steuerminimierung missbraucht werden, etwa mit dem Ziel der Ausnutzung internationaler Steuergefälle. Diesen verschiedenen Missbrauchsgestaltungen (Treaty-Shopping, directive-Shopping, rule-Shopping, oder die Schaffung "weißer Einkünfte") soll mit Hilfe von Missbrauchsvorschriften entgegen gewirkt werden. Dabei ist wiederum zu unterscheiden zwischen Missbrauchsvorschriften auf Doppelbesteuerungsebene und Missbrauchsvorschriften auf nationaler Ebene. Missbrauchsvorschriften auf nationaler deutscher Ebene finden sich im Außensteuergesetz und im Einkommensteuergesetz.

4) Abschließend will ich das System der Informationsbeschaffung durch die deutsche Finanzverwaltung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten skizzieren:

Wie im nationalen Steuerrecht obliegt es der Finanzverwaltung auch bei grenzüberschreitenden Steuersachverhalten, den Sachverhalt zu ermitteln und den nationalen Steueranspruch durchzusetzen. Dies ist insoweit problematisch, als die deutschen Steuerbehörden im Ausland nicht ermitteln dürfen. An der Staatsgrenze endet die Ermittlungsarbeit der Steuerbehörde. Aus diesem Grund werden dem Steuerpflichtigen gesetzlich normierte, erhöhte Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten auferlegt. Dem Bundeszentralamt für Steuern obliegt nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 Finanzverwaltungsgesetz die zentrale Sammlung und Auswertung von Unterlagen über steuerliche Auslandsbeziehungen. Hierfür ist innerhalb des Bundeszentralamtes für Steuern der Arbeitsbereich "Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen" (IZA) gebildet worden. Diese Informationszentrale hat die Aufgabe Informationen über Personen im Ausland, insbesondere über ausländische Briefkastenfirmen sowie Steueroasen- bzw. Niedrigsteuerländer zu sammeln. Der Datenbestand der IZA setzt sich zusammen aus Mitteilungen deutscher und ausländischer Finanzbehörden sowie aus allgemein zugänglichen Quellen (z. B. ausländische Handelsregister und entsprechende Anfragen der Finanzbehörden und Steuerfahndungsstellen).

Sowohl das Außensteuergesetz (AStG) als auch die Abgabenordnung (AO) kennen verschiedene Vorschriften, die den Steuerzahler zu erhöhten Mitwirkungspflichten im Rahmen von grenzüberschreitenden Sachverhalten anhalten. Neben der allgemeinen Offenlegungs- und Beweisabgabepflicht bei Inlandssachverhalten gibt es nach § 90 Abs. 1 Abgabenordnung eine darüber hinaus gehende Aufklärungs- und Beweismittelbeschaffungspflicht bei Auslandssachverhalten.

Der Steuerpflichtige kann sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, weil diese sich "im Ausland abspielen" Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Vorschriften des § 160 der Abgabenordnung und der §§ 16, 17 des Außensteuergesetzes, nach denen eine besondere Pflicht zur Erbringung von Nachweisen und zur Beschaffung und Vorlage von Beweismitteln besteht (Beispiel: Schmiergelder als Betriebsausgabe)

Darüber hinaus besteht internationale Amtshilfe. Darunter versteht man, dass die eine Behörde einer anderen Behörde zur Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben Hilfe gewährt.

Die Generalnorm des zwischenstaatlichen Auskunftsaustausches ist § 117 der Abgabenordnung. Auch im Doppelbesteuerungsabkommen sind Amtshilfeklauseln enthalten. Zwischenzeitlich gibt es auch eine EG-Amtshilferichtlinie (Richtlinie 77-799EWG vom 19.12.1977, wobei diese Richtlinie durch das EG-Amtshilfegesetz von 1985 umgesetzt wurde). Die EU-Zinsrichtlinie aus Jahre 2003 soll die effektive Besteuerung von Zinserträgen, die eine natürliche Person in einem anderen EU - Mitgliedstaat als ihrem Wohnsitzstaat erzielt, nach den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates sicherstellen.

Umgesetzt wurde diese Richtlinie in Deutschland durch die Zinsinformationsverordnung, veröffentlicht im Bundessteuerblatt 2004, Seite 297. Diese Zinsrichtlinie sieht grundsätzlich das so genannte Kontrollmitteilungssystem vor, nachdem die Mitgliedstaaten Auskünfte über Zinszahlungen an Gebietsfremde an deren Wohnsitzstaaten erteilen. Ausgenommen von diesem Kontrollmitteilungssystem sind die Staaten Luxemburg, Österreich und Belgien. Diese wenden das so genannte Quellensteuersystem an: Sie erstellen keine Kontrollmitteilungen, sondern besteuern die aus inländischen Quellen stammenden Zinseinkünfte mit einem in der Richtlinie festgesetzten Steuersatz.

Aus dieser kurzen Darstellung wird bereits klar, dass sich in Zukunft das internationale und insbesondere europäische Steuersystem zügig weiterentwickeln wird, wobei sicherlich die Grundsätze, dass jeder Staat möglichst viel Steuer " für sich" einnehmen will, dazu führen könnten, dass Europa an dieser Stelle sicherlich nur zögerlich zusammenwachsen wird.


Rechtsanwalt und FA für Steuer- und Familienrecht Georg M. Hartmann