Insolvenz(reife) der GmbH: Haftung des Geschäftsführers für Sozialversicherungsbeiträge oder für Kapitalerhalt?


Kernfrage/Rechtslage

Die persönliche Haftung des Geschäftsführers der insolventen GmbH ist eine der meistdiskutierten und umstrittensten Fragen im Rahmen der Insolvenz. Während der Geschäftsführer gesellschaftsrechtlich verpflichtet ist, nach Eintritt der Insolvenzreife keine Zahlungen mehr zu leisten und das noch vorhandene Kapital zu schützen, ist er sozialversicherungsrechtlich und strafrechtlich verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Das Dilemma stellt sich so dar: Zahlt der Geschäftsführer die Sozialversicherungsbeiträge, haftet er persönlich wegen Verstoßes gegen Kapitalerhaltungsvorschriften, zahlt er die Sozialversicherungsbeiträge nicht, ist der Straftatbestand des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt erfüllt, sodass der Geschäftsführer neben der persönlichen Strafbarkeit auch noch persönlich auf die Sozialversicherungsbeiträge aus unerlaubter Handlung haftet. Einigkeit besteht nur dahingehend, dass eine persönliche Haftung innerhalb des dreiwöchigen Zeitraums der Insolvenzantragspflicht nicht besteht.

Im Übrigen ist die Rechtslage, was die persönliche Haftung nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist anbelangt, ungeklärt und dadurch gekennzeichnet, dass selbst innerhalb des BGH keine einheitliche Rechtsprechung besteht. Während der für Insolvenzfragen zuständige Gesellschaftsrecht-Senat des Bundesgerichtshofes eine Strafbarkeit des Geschäftsführers verneint, bejaht der zuständige Strafsenat regelmäßig eine persönliche Verantwortung des Geschäftsführers. Das OLG Brandenburg hat sich nunmehr als erstes Obergericht gegen die Auffassung des zuständigen Strafsenates beim Bundesgerichtshof gestellt.

Entscheidung

Das Oberlandesgericht Brandenburg hatte über die Klage einer Krankenkasse gegen den Geschäftsführer einer GmbH zu entscheiden, der nach Eintritt der Insolvenzreife, hier in Form der Zahlungsunfähigkeit, keine Sozialversicherungsbeiträge mehr abgeführt hatte und hierfür nunmehr persönlich haften sollte. Das Gericht urteilte zu Gunsten des Geschäftsführers. Der Geschäftsführer befinde sich regelmäßig in einer Pflichtenkollision. Entweder hafte er aufgrund der Kapitalerhaltungsvorschriften dafür, dass er Sozialversicherungsbeiträge abgeführt habe, oder er hafte aus unerlaubter Haftung dafür, dass er keine Arbeitnehmeranteile abgeführt habe. Diese Pflichtenkollision führt dazu, dass dem Geschäftsführer mit Rücksicht auf eine persönliche Haftung aus unerlaubter Handlung das hierfür erforderliche Verschulden nicht zur Last gelegt werden könne. Da das Verschulden entfalle, könne der Geschäftsführer nicht aus unerlaubter Handlung haften, wenn die Zahlungen an den Sozialversicherungsträger nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit fällig geworden sind. Der Geschäftsführer könne demnach weder für die nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge im dreiwöchigen Antragszeitraum noch für die nicht abgeführten Beiträge nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist persönlich in Regress genommen werden.

Konsequenz

Die Entscheidung des OLG wendet sich gegen die bisherige strafrechtliche Rechtsprechung des BGH, der eine persönliche Haftung des Geschäftsführers und damit verbunden auch dessen Strafbarkeit für diejenigen nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge, die nach Ablauf der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht zu entrichten sind, regelmäßig bejaht. Die Entscheidung ist aus Sicht des Geschäftsführers zu begrüßen und in entsprechenden Fällen zur Verteidigung heranzuziehen. Ob eine entsprechende Verteidigung in Ansehung der Rechtsprechung des BGH erfolgreich ist, bleibt offen. Eine genau entgegen gesetzte, jüngere Entscheidung eines anderen OLG existiert. Beide Entscheidungen liegen dem BGH zur Entscheidung vor.


Rechtsanwalt und FA für Steuer- und Familienrecht Georg M. Hartmann