Verantwortlichkeiten des Betriebsinhabers/Geschäftsführers:
notwendige Delegation von Pflichten wegen drohender Haftung

Rechtsanwalt Georg M. Hartmann
Fachanwalt für Steuerrecht und Familienrecht

Mandantenseminar 14.11.2012



Je größer der Betrieb ist, desto größer sind die Pflichten, die der Geschäftsführer zu beachten hat und für die er grundsätzlich alleine verantwortlich ist. Um nicht „für alles und jedes“ verantwortlich zu sein, muss der Geschäftsführer Pflichten auf Dritte (extern) oder Mitarbeiter (intern) übertragen.

Ziel des Vortrages ist die Darstellung der bestehenden Problemlage und der Möglichkeiten Pflichten auf andere Personen zu delegieren.

Im Folgenden wird – trotz verschiedener juristischer Voraussetzungen - auf die Unterschiede der Haftung eines Geschäftsinhabers eines Einzelunternehmens und eines Geschäftsführers einer GmbH oder Vorstandes einer Aktiengesellschaft nicht besonders hingewiesen. Nachfolgend wird „Geschäftsführer“ gleichbedeutend verwendet für Geschäftsführerin/Geschäftsinhaber/Geschäftsinhaberin.


I. Die Verantwortlichkeit (frei nach Wikipedia)

Der Begriff der Verantwortung bezeichnet die Zuschreibung einer Pflicht zu einer handelnden Person oder Personengruppe (Subjekt) gegenüber einer anderen Person oder Personengruppe (Objekt) aufgrund eines Anspruchs, der durch eine Instanz eingefordert werden kann und vor dieser zu rechtfertigen (zu beantworten) ist.

Während die Grundrelation des Konzepts der Verantwortung – jemand ist verantwortlich für etwas vor jemandem – wenig umstritten ist, besteht über die Ausgestaltung der einzelnen Dimensionen des Begriffs eine Vielzahl von Meinungen. Je nach Anwendungsbereich (etwa in Politik, Ökonomie, Recht, Psychologie) wird dem Begriff ein besonderer Inhalt zugewiesen. Dies gilt sowohl für den Umfang der Zuständigkeit als auch für die Gültigkeit der Normen, aufgrund derer Verantwortung zugeschrieben wird. Wieweit besteht Selbstverantwortung für die eigene soziale Lage? Inwieweit sind Anweisungen eines Vorgesetzten bindend oder ausreichend? Wann liegt unterlassene Hilfeleistung vor? Verantwortlichkeiten können sich überschneiden, im Konflikt oder in einem hierarchischen Verhältnis zueinander stehen.


II. Das Problem und die Dimension

-> OLG Koblenz: Bäckerei; Übertragung der Verantwortlichkeit

Beschl. vom 11.12.1986 - 1 Ss 528/86; MRR 1986, 64

[...] Zur verbleibenden Verantwortlichkeit des Geschäftsführers einer GmbH, der eine Bäckerei und Konditorei betreibt, für einwandfreie hygienische Verhältnisse zu sorgen. Dies auch bei Übertragung der Verantwortlichkeit für die "Überwachung und Einhaltung des Lebensmittelgesetzes, der Hygieneverordnung usw." auf einen angestellten Bäckermeister. Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen eines vorsätzlichen tateinheitlichen Verstoßes gegen §§ der Bäckereiverordnung auf eine Geldbuße von 200,-- DM erkannt. Nach den getroffenen Feststellungen ist der Betroffene neben seiner Ehefrau geschäftsführender Gesellschafter der A. GmbH, die eine Bäckerei und Konditorei betreibt, in der sechs Gesellen, drei Lehrlinge [...]

-> Verantwortlichkeit für mangelhaft gesicherte Ladung bei Transporten

[...] Verantwortlichkeit für mangelhaft gesicherte Ladung bei Transporten Haftung bei mangelhafter Ladungssicherung. Die Haftung hängt auch davon ab, wie die Beteiligten rechtlich zueinander stehen. Bei der [...]

-> Verantwortlichkeit des letzteingetragenen Kfz-Halters

Verantwortlichkeit des letzteingetragenen Kfz-Halters [...] Haftung des Letzthalters bei Sicherstellung von im öffentlichen Verkehrsraum abgestellten, nicht zugelassenen Kfz. [...] über die Fahrgestellnummer kann der letzte Fahrzeughalter als Verantwortlicher ausfindig gemacht werden und zur Rechenschaft gezogen werden ohne dass es auf die aktuelle Besitzsituation ankommt [...]

-> OLG Düsseldorf: Aufsichtspflicht des Kfz-Halters NZV 1989, 282 Beschluss vom 14.03.1989

[...] Aufsichtspflicht des Kfz-Halters [...] Zur Pflicht des Halters, dafür zu sorgen, dass das einem Arbeitnehmer zur alleinigen betrieblichen Benutzung überlassene Kfz nicht in vorschriftswidrigem und verkehrsunsicherem Zustand im öffentlichen Straßenverkehr geführt wird. Der Betriebsinhaber ist selbständiger Elektromeister und Halter eines Lkw Transporters. Diesen hat er seit längerer Zeit seinem Arbeitnehmer ausschließlich für Dienstfahrten zur Verfügung gestellt. Im Auftrage des Betriebsinhabers arbeitet G seit längerer Zeit in einem Chemiewerk. Das Fahrzeug benutzt er insbesondere für Fahrten von und zu seiner Arbeitsstelle. Infolgedessen bekommt der Betriebsinhaber das Fahrzeug monatelang nicht zu Gesicht. Seinen zuverlässigen Arbeitnehmer hatte der Betr. angewiesen, etwa auftretende Mängel an dem Fahrzeug ihm unverzüglich mitzuteilen. Aufgrund solcher Mitteilungen sind im Jahre 1987 vier Reparaturen an dem [...]

-> Patzina, Haftung | Kapitel 16. Steuerrechtliche Haftung von Unternehmensorganen Rn. 13 - 14 | 1. Auflage 2010

Ausschnitt aus dem Dokument: Ein Vereinsvorstand hat die gleichen steuerlichen Pflichten wie ein GmbH-Geschäftsführer und zwar auch dann, wenn er ehrenamtlich tätig ist. Auch der 2. Vorsitzende eines Vereins haftet, wenn er trotz anderslautender Aufgabenverteilung in einer Krisensituation die Erfüllung der steuerlichen Pflichten durch den 1. Vorsitzenden nicht genügend überwacht. Ein in Anspruch genommener Haftungsschuldner trägt die Darlegungs- und Feststellungslast für eine eventuell vorliegende ihn entlastende Geschäftsverteilung. soweit die Geschäftsverteilung nicht zur Einschränkung der [...]

-> OLG Stuttgart: Verantwortlichkeit für den Geburtsvorgang

Urteil vom 19.09.2000 - 14 U 65/99

Der Arzt, der anstelle des eine Geburt betreuenden Belegarztes absprachegemäß die Geburt weiter leitet, ist Vertreter des Belegarztes. Die Hebamme ist nach der Übernahme der Geburtsleitung durch den Arzt Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfin des Belegarztes, zu dem die Gebärende vertragliche Beziehungen hat, auch wenn ein anderer Belegarzt als dessen Vertreter tatsächlich tätig ist. Problemstellung: Das Urteil beschäftigt sich mit Fragen der Arbeitsteilung und der Verantwortung während der Geburt in einem Belegkrankenhaus. Vertragspartner der Schwangeren war ein Frauenarzt, der zusammen mit seiner Ehefrau eine Gemeinschaftspraxis betrieb. Am Tag der Geburt war er wegen einer Fortbildungsveranstaltung nicht anwesend.

-> BGH bestätigt Freisprüche gegen Fondsgründer und Verantwortliche der Berliner Volksbank

Der Fünfte Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Freisprüche der Vorinstanz vom Vorwurf des Betrugs gegen einen Fondsgründer der EUWO-Gruppe sowie gegen Verantwortliche der Berliner Volksbank bestätigt und die Revision der Staatsanwaltschaft verworfen. Die Strafverfolgungsbehörde hatte den Angeklagten vorgeworfen, die Anleger der geschlossenen Immobilienfonds


III. Verantwortlichkeiten eines Geschäftsführers

Grundsätzlich können die Verantwortlichkeiten/Pflichten den Gesetzen selbst entnommen werden. Es würde den Rahmen dieses Vortrages sprengen, alle grundsätzlichen Verantwortlichkeiten/Pflichten darzustellen. Es sollen nur allgemein die Verantwortlichkeiten dargestellt werden, deren Verletzungen durch den Geschäftsführer zu einer zivilrechtlichen Haftung oder strafrechtlichen Haftung führen.

  • die allgemeinen Verkehrssicherungspflichten. Die Verkehrssicherungspflicht umfasst die Verpflichtung, jeden, der im Rahmen zweckentsprechender Nutzung von der Betriebsanlage Gebrauch macht, vor Gefahren zu schützen.
  • die Pflichten, die im Rahmen der steuerlichen Gesetze auferlegt sind: § 34 der Abgabenordnung lautet:

    Pflichten der gesetzlichen Vertreter und der Vermögensverwalter

    (1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.
  • die Pflichten, die im Rahmen der Sozialvorschriften bestehen
  • die Pflichten, die in allen strafrechtlichen Vorschriften – gerade für den jeweiligen Betrieb gelten - bestehen hinsichtlich Betriebssicherheit, Maschinen, PKWs, LKWs [...] Hygieneverordnung usw.

Entscheidend ist: Diese Pflichten kann ein Geschäftsführer nicht alle alleine erfüllen; je größer der Betrieb, desto mehr Pflichten müssen delegiert werden.

Aber auch dann verbleibt dem Geschäftsführer die Aufsichtspflicht. (siehe unten Beispielsfälle)


IV. Die Folgen eines Pflichtenverstoßes

Verletzt der geschäftsführende Gesellschafter seine Pflichten schuldhaft, so haftet er der Gesellschaft auf Schadensersatz (Innenhaftung).

Der Vortrag bezieht sich im Folgenden aber ausschließlich auf die Haftung gegenüber Dritten (Außenhaftung), und die strafrechtliche Haftung mit der Möglichkeit, dieser durch Delegation „zu entgehen“:

Zivilrechtliche Außenhaftung und strafrechtliche Verantwortlichkeit.

- Die zivilrechtliche Außenhaftung des Geschäftsführers hat in den letzten 10 Jahren eine zunehmend größere Aufmerksamkeit gefunden. Denn die direkte Haftung einer Person führt grundsätzlich dazu, dass der Anreiz zur Beachtung von Rechtspositionen Dritter größer ist, als wenn nur die juristische Person (eine Firma) eintreten muss. Unstreitig haftet der Geschäftsführer für Delikte auf Grund der Verletzung von Pflichten, die jedermann treffen. Gleiches gilt für deliktische Ansprüche (unerlaubte Handlungen) ebenso wie wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche, wonach als Störer derjenige anzusehen ist, der die Störung herbeigeführt hat, unabhängig von dem Interesse des Handelnden. So kann der Geschäftsführer einer GmbH auf Unterlassen rechtsverletzender unwahrer Tatsachenbehauptungen in Anspruch genommen werden, auch wenn er diese „für die Geschäftsleitung“ der Gesellschaft abgegeben hat.

- Beispiel für eine strafrechtliche gesetzliche Regelung: Völkerstrafgesetzbuch; § 13 Verletzung der Aufsichtspflicht

(1) Ein militärischer Befehlshaber, der es vorsätzlich oder fahrlässig unterlässt, einen Untergebenen, der seiner Befehlsgewalt oder seiner tatsächlichen Kontrolle untersteht, gehörig zu beaufsichtigen, wird wegen Verletzung der Aufsichtspflicht bestraft, wenn der Untergebene eine Tat nach diesem Gesetz begeht, deren Bevorstehen dem Befehlshaber erkennbar war und die er hätte verhindern können.

(2) Ein ziviler Vorgesetzter, der es vorsätzlich oder fahrlässig unterlässt, einen Untergebenen, der seiner Anordnungsgewalt oder seiner tatsächlichen Kontrolle untersteht, gehörig zu beaufsichtigen, wird wegen Verletzung der Aufsichtspflicht bestraft, wenn der Untergebene eine Tat nach diesem Gesetz begeht, deren Bevorstehen dem Vorgesetzten ohne weiteres erkennbar war und die er hätte verhindern können.


V. Lösungsansätze

Lösungsansätze, damit der Geschäftsführer nicht „für alles und jedes“ verantwortlich ist und selbst strafrechtlich und zivilrechtlich in Anspruch genommen werden kann.


Verhindern sie eine Verantwortungsdiffusion, denn diese führt immer zu Haftung des Geschäftsführers
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Verantwortungsdiffusion =

„keiner fühlt sich verantwortlich“

oder

die Verantwortlichkeiten sind nicht klar definiert

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In diesem Sinne:

Team bedeutet: „Toll-Ein-Anderer-Macht`s“

  • das Organigramm, der Arbeitsvertrag, die Stellenbeschreibung.
  • bei mehreren Geschäftsführern, nutzen Sie die Kombinationsmöglichkeiten funktions- und spartenbezogener Aufteilung der Geschäftsführung im Gesellschaftsvertrag; Geschäftsverteilung zwischen den Geschäftsführern durch schriftliche Vereinbarung.
  • Übertragung der Verantwortlichkeit. Ob die strafrechtliche Verantwortlichkeit mit befreiender Wirkung auf einen Dritten delegiert werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
  • Delegation/Übertragung: immer schriftlich
    1. eigene Angestellte im Arbeitsvertrag/ in der Stellenbeschreibung. Auch gegen das Gesetz??? höchstpersönliche Pflichten des Geschäftsführers?
    2. Hat der Inhaber seine Pflichten auf externe Dritte übertragen?, wenn ja, welche „Rest“-Pflichten verbleiben (Beispiel: Reinigungspflichten; Arbeitssicherheit; Spediteur: Thema Ladungssicherheit; Steuerberater)
  • Kontrolle: Stichprobe? wie: Augenschein/Besprechung?
    1. Selbst?
    2. Oder auch hier wieder Delegation?
  • Schulung der Mitarbeiter: Pflicht!
    1. Wer, wann, wie oft?
    2. Protokoll/ Anwesenheitsliste

VI. Grundsätze des Bundesgerichtshofes

3.Grundsätze des Bundesgerichtshofes zur Übertragung von Pflichten auf Dritte:

  • BGH v. 17.01.1989:
    Wird die Wegereinigung in einer Wohnungseigentumsanlage auf einen Dritten übertragen, so kann dieser unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auch den Wohnungseigentümern gegenüber deliktsrechtlich haftbar sein.
  • BGH v. 22.01.2008:
    Nach ständiger Rechtsprechung können Verkehrssicherungspflichten mit der Folge eigener Entlastung delegiert werden. Die Verkehrssicherungspflichten des ursprünglich Verantwortlichen verkürzen sich dann auf Kontroll- und Überwachungspflichten. Wer sie übernimmt, wird seinerseits deliktisch verantwortlich. Voraussetzung hierfür ist, dass die Übertragung klar und eindeutig vereinbart wird.
  • BGH v. 22.01.2008:
    Die deliktische Einstandspflicht des mit der Wahrnehmung der Verkehrssicherung Beauftragten besteht auch dann, wenn der Vertrag mit dem Primärverkehrssicherungspflichtigen nicht rechtswirksam zustande gekommen ist. .
  • OLG Hamm v. 06.03.2009:
    Die Übertragung der Winterwartung auf Gehwegen auf die Anlieger befreit die Kommune nicht von der Pflicht, die Wahrnehmung der Winterwartung durch die Anlieger zu kontrollieren. Auch bei Verletzung der Kontrollpflicht der Kommune ist der durch Glätte Verletzte dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass die Einhaltung der Kontrollpflicht den Schadensfall verhindert hätte.