„Opa und Oma stehen unter Betreuung“
Praktische Probleme der gesetzlichen Betreuung

Mandantenseminar Maria Laach 2014


1. Allgemeines; das Grundprinzip

Das Institut der rechtlichen Betreuung wurde durch das Betreuungsgesetz aus dem Jahre 1992 geschaffen. Es hat die frühere Entmündigung und Gebrechlichkeitspflegschaft ersetzt. Das Nebeneinander beider Rechtsinsti¬tute und die radikale Wirkung der Entmündigung, die zu einer Geschäftsunfähigkeit in allen Bereichen geführt hat¬te, sollten durch eine einheitliche, auf den individuellen Hilfebedarf des Betroffenen abgestellte Regelung ersetzt werden. Ausgehend von einem veränderten Verständnis gegenüber behinderten und dementen Menschen war das Ziel, den Betroffenen nach dem Prinzip „Betreuung statt Entmündigung" Hilfe zu einem selbstbestimmen Leben zu leisten.

a) Mit der rechtlichen Betreuung kann man Hilfe durch einen Betreuer erhalten, der in den Bereichen, in de¬nen die eigenen Angelegenheiten – wegen der Krankheit - nicht geregelt werden können, die anstehenden Aufgaben wahrnimmt und den Betreuten in diesem Rahmen rechtlich vertritt. Die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften der §§ 1896 BGB ff. lassen folgende grundlegende Prinzipien erkennen:

Die Betreuung wird nur eingerichtet für die Aufgaben¬-/Wirkungskreise, in denen sie erforderlich ist (§ 1869 Abs. 2 BGB). Nur in diesen Wirkungskreisen vertritt der Betreuer den Be¬treuten gerichtlich und außergerichtlich (§ 1902 BGB).

Praxistipp: denken Sie an den „Umkehrschluss“: Wenn für diese Aufgabenkreise nicht auch die Vorsorge-Vollmacht gilt, könnte auf Antrag hin „für den fehlenden Bereich“ von „dritter“ Seite eine gerichtliche Betreuung eingesetzt werden.

Die rechtliche Betreuung führt nicht zu einem Verlust der Geschäftsfähigkeit, Ehefähigkeit und Testierfähigkeit. Dies ist der Grund¬satz. Damit können sowohl der Betreuer als auch der Be¬troffene selbst rechtswirksam handeln.

Es gilt das Selbstbestimmungsrecht des Betreuten. Die Einrichtung einer Betreuung gegen den erklärten Willen ist grundsätzlich nicht zulässig (§ 1869 Abs. 1 a BGB). Im Rah¬men einer eingerichteten Betreuung hat der Betreuer den Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies mit dem Wohl des Betreuten vereinbar und dem Betreuer zu¬zumuten ist (§ 1901 Abs. 3 BGB). Die rechtliche Betreuung ist von dem Gedanken der Für¬sorge für den Betreuten bestimmt. Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht (§ 1901 Abs. 2 BGB).

Es gibt keine Dauerbetreuung. Das Gericht hat innerhalb einer Frist von mindestens sieben Jahren zu entscheiden, ob die Betreuung fortzuführen oder aufzuheben ist (§ 294 Abs. 4 FamFG).

Die Tätigkeit der Betreuer unterliegt der Überprüfung durch die Gerichte (§ 1908i iVm. § 1837 BGB).

b) Um diese gerichtlich angeordnete – auch durch das Gericht kontrollierte - Betreuung zu umgehen, besteht die Möglichkeit, eine Vorsorgevollmacht zu errichten und denjenigen schon vor der Zeit der Krankheit für bestimmte Bereiche zu bevollmächtigen, den man sich als Betreuer wünscht. Dann, wenn die Aufgabenbereiche (siehe unten) korrekt beschrieben sind und die Vollmacht wirksam erteilt wurde, unterbleibt die Anordnung einer rechtlichen Vollmacht durch das Gericht.

2. Feststellung der Betreuungsbedürftigkeit

Voraussetzung für eine Betreuerstellung ist eine psy¬chische Krankheit oder eine geistige, körperliche oder see¬lische Behinderung (§ 1896 Abs. 1 BGB). Nach § 1896 BGB bestellt das Gericht einen Betreuer von Amts wegen oder auf Antrag. Ein Antrag ist nur dann erforderlich, wenn eine Betreuung wegen einer körperlichen Behinderung eingerichtet werden soll. Im Übrigen muss das Betreuungsgericht auch dann tätig werden, wenn die Einrichtung einer Betreuung nur angeregt wird. Die Anregung kann durch jeden Dritten erfolgen, neben den Familienangehörigen zum Beispiel auch durch Krankenhäuser, Alteneinrichtungen oder etwa Nachbarn. Für die Anregung bei dem Gericht, eine Betreuung einzurichten ist keine Form vorgeschrieben

a) Über die Einrichtung einer Betreuung entscheidet der Rich¬ter. Er hört den zu Betreuenden persönlich an. Diese persönliche Anhörung durch den Richter ist ein elementarer Bestandteil des Betreuungsverfah¬rens. Dann oder zuvor erteilt der Richter zu den gesundheitlichen Voraussetzungen einen Gutachtenauftrag an einen Facharzt für Psychiatrie. Seit dem 1.7.2014 sind auch ein Sozialbericht und die Vermittlung anderer Hilfen aus dem Bereich des Sozialrechts obligatorisch erforderlich. Dadurch soll eine Verminderung der Betreuungszahlen und eine Entlastung des Justizhaushalts erreicht werden.

Ein Sachverständigengutachten ist dann entbehrlich, wenn der Betroffene selber die Betreuung beantragt und auf die Einholung des Sachverständigengutachtens verzichtet hat oder es um die Bestellung eines Kontrollbetreuers geht (§ 281 Abs. 1 Nr. 2 FamFG). Ist für den Betroffenen schon ein Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenver¬sicherung vorhanden, so kann das Gericht ebenfalls von der Beauftragung eines Sachverständigen absehen (§ 282 FamFG).

Es ist daher sinnvoll, der Anregung auf Einrichtung einer Betreuung ein solches Gutachten beizufügen, weil auf die¬se Weise das Verfahren zur Bestellung eines Betreuers be¬schleunigt werden kann.

Die größte Gruppe der unter Betreuung stehenden Men¬schen sind alte Menschen, die an der Alzheimerkrankheit oder einer anderen Demenz erkrankt sind.

Eine Betreuungsbedürftigkeit im rechtlichen Sinne besteht dann, wenn der Betroffene aufgrund dieser Erkrankung nicht mehr in der Lage ist, seine eigenen Angelegenheiten ganz oder teilweise zu besorgen. Der bloße Wunsch des Betroffen, Hilfe zu erhalten, ist nicht ausreichend.

b) Die Einrichtung einer Betreuung schei¬det aus, wenn eine wirksame Vollmacht er¬stellt worden ist (§ 1896 Abs. 2 BGB) oder wirksam erteilt werden könnte.

Praxistipp: Hier setzt die Vorsorge- bzw Betreuungsvollmacht ein. Wenn diese schon erteilt ist, dann bedarf es keiner gerichtlichen Betreuung.

Auch in einem schon begonnenen Betreu¬ungsverfahren stellt sich häufig heraus, dass der Betroffe¬ne, obwohl er in anderen Bereichen hilfebedürftig ist, den¬noch in der Lage ist, rechtswirksam eine Vollmacht zu er¬teilen. Die beginnende Demenz bei einem alten Menschen kann nämlich so sein, dass er komplizierte ge¬sundheitliche Fragen oder Fragen der Vermögensverwal¬tung nicht mehr alleine entscheiden kann, aber sehr wohl in der Lage ist, die Notwendigkeit einer Vollmachtertei¬lung, den Inhalt der Vollmacht und ihre Auswirkungen zu erkennen. In einem solchen Fall wird das Betreuungs¬gericht das Verfahren einstellen und die Angehörigen auf die Möglichkeit einer Vollmachterteilung verweisen.

3. Die Kontrollbetreuung (der Gegenbetreuer)

Grundsätzlich ist eine Betreuung nicht erforderlich und da¬mit nicht zulässig, wenn eine Vorsorgevollmacht besteht. Nach § 1896 Abs. 3 BGB kann der Wirkungskreis einer Be-treuung aber auch die Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem eigenen Bevollmächtigten sein. Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn Ansprüche des Be¬treuten gegen den Bevollmächtigten bestehen, weil dieser rechtlich und wirtschaftlich zum Nachteil des Bevollmäch¬tigten gehandelt hat. Fälle dieser Art sind nicht selten. Wichtig ist, dass der Kontrollbetreuer die Vollmacht auch im Interesse des Betreuten widerrufen kann. Die Über¬wachungsbetreuung dient gerade als Ausgleich dafür, dass der nach Erteilung der Vollmacht geschäftsunfähig gewor¬dene Betroffene die Vollmacht nicht mehr wirksam wider¬rufen kann.

Praxistipp: Diese Frage und die Einsetzung eines Kontrollbetreuers wird zurzeit politisch diskutiert: denn kann und soll nur eine Person als Betreuer „über alles“ entscheiden (siehe weiter unten zum „Ausblick“)? Soll das Schicksal des Betreuten nur in eine Hand gelegt werden?

4. Das Problem der einzelnen Aufgabenbereiche des Betreuers

Wie oben schon erwähnt, darf die Betreuung grundsätzlich nur für einzeln bestimm¬te Wirkungskreise eingerichtet werden (§ 1896 Abs. 2 BGB). Wenn eine Betreuung erforderlich ist, dann ist sie für jeden einzelnen Wirkungskreis gesondert festzustellen (auch in einem gerichtlichen Beschluss). Die Vertretungsmacht des Betreu¬ers bezieht sich auch nur auf die Bereiche, für die er einge¬setzt ist. So ist es möglich, dass der Aufgabenkreis „Aufenthaltsbestimmungsrecht“ gerichtlich geregelt wird („wer bestimmt, ob und wenn ja in welches Altenheim die Oma kommt“), nicht aber die Vermögenssorge (weil eine Vollmacht für die Bank besteht).

a) Das Gesetz definiert nicht, um welche Aufgabenbereiche es sich handeln kann. Entsprechend dem Unterstützungsbedarf des Betroffenen kommen als Aufgabenbereiche z. B. in Betracht:

Die Gesundheitsfürsorge: Der Wirkungskreis gibt dem Betreuer ein Auskunftsrecht gegenüber Ärzten, Krankenhäusern und anderen Stellen und Behörden, die mit gesundheitlichen Fragen befasst sind, und das Recht zur Entscheidung über einzelne Be-handlungen oder ärztliche Eingriffe.

Die Vermögenssorge: Diese umfasst das Recht des Betreuers, das Vermögen des Betreuten zu verwalten, zum Beispiel Geldkonten, Wert¬papiere und Depots. Die Abgrenzung des Aufgabenkreises der Vermögenssorge gegenüber einigen weiteren typischen Aufgabenkreisen ist bisweilen schwierig. Nach allgemeiner Auffassung gehört zur Vermögenssorge die Geltendmachung von Zahlungsansprüchen aller Art, die dem Betreuten zustehen. Dies können Zahlungsansprüche aus einem Beschäftigungsverhältnis sein (Arbeitsentgelt usw.), Zahlungsansprüche, die der Betreute als Wohnungsinhaber hat (Mieten, Mietnebenkosten), Rückzahlungsansprüche gegen andere, um nur einige zivilrechtliche Ansprüche zu nennen. Auch Ansprüche aus erbrechtlichen Verhältnissen (Erbanteil, Vermächtnis, Pflichtteilsansprüche) können dazu zählen. Allerdings ist es in der Praxis auch oft der Fall, dass die Geltendmachung von Erbansprüchen als eigener Aufgabenkreis formuliert wird. Ist dies aber nicht gegeben, gehören sie zum Aufgabenkreis Vermögenssorge. Darüber hinaus können öffentlich-rechtliche Zahlungsansprüche zum Aufgabenkreis gehören, z.B. Sozialleistungen aller Art, wie Arbeitslosengeld 1 oder 2, Sozialhilfe incl. Grundsicherung, Renten aller Art, Krankengeld, Wohngeld, Kindergeld, Erziehungsgeld, Kriegsopferentschädigung, Opferentschädigung usw. Diese Bereiche gehören bei den meisten Betreuten zu den Hauptaufgaben des Betreuers.

Der Wirkungskreis berechtigt (wohl auch) „den vermögensrechtlichen Umgang“ mit einem Haus oder einer Eigentumswohnung. Aber hier erfolgt bisweilen seitens des Gerichtes eine separate Festlegung des Aufgabenkreises. Auch kann der Betreuer Grundeigentum erwerben und verkaufen sowie beleihen (Hypotheken, Grundschulden usw.). Hierzu benötigt er aber im Regelfall die Genehmigung des Betreuungsgerichtes (§§ 1821, § 1822 BGB). Im Genehmigungsverfahren hat dann ein Verfahrenspfleger die Pflicht, den Verfahrensgarantien des Betreuten Geltung zu verschaffen sowie den tatsächlichen und mutmaßlichen Willen des Betroffenen zu ermitteln und ins Verfahren einzubringen. Er muss nicht die objektiven Interessen des Betreuten ermitteln.

Praxistipp für Vorsorgevollmacht: Wenn Immobilien vorhanden sind, kann mit einer notariellen Vollmacht diese Verfahrenspflegschaft umgangen werden. Denn mit der „normalen Vollmacht“ – so wie diese häufig in Zeitungen immer wieder empfohlen wird – lässt sich kein Haus verkaufen, keine Eigentumswohnung belasten, keine Ackerfläche „zu Geld machen“, um die Pflege zu zahlen. Erfahrungsgemäß ist der Weg über den Verfahrenspfleger und das Gericht zumindest mit Aufwand und Zeitverlust verbunden.

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht: Mit diesem Wirkungskreis kann der Betreuer über den Aufenthaltsort des Betreuten entscheiden. In dem häufigsten Fall, der Betreuung über eine demenzerkrankte Person, geht es um die wichtige Frage, ob der Betreute in einem Altenheim aufgenommen werden soll. Der Betreuer, dem dieser Aufgabenkreis übertragen ist, hat das Recht, den Heimvertrag abzuschließen und die daraus resultierenden Rechte des Betroffenen geltend zu machen.

Eine Betreuung für alle Aufgabenkreise: Die Bestellung eines Betreuers für alle Bereiche soll nach dem Grundgedanken des Betreuungsrechts die Ausnahme sein und wird in der gerichtlichen Praxis auch selten durchgeführt. Auch für einen krankheitsbedingt sehr hilf¬losen Betroffenen ist die Einsetzung eines Betreuers in allen der oben aufgeführten Aufgabenkreise zur notwendigen Unterstützung in der Regel ausreichend. Ist nämlich der Betreuer für „alle Angelegenheiten“ eingesetzt, so entfällt für den Betroffenen auch das Wahlrecht.

Es gibt auch unzulässige Wirkungskreise, nämlich die, in denen eine Vertretung grundsätzlich nicht zulässig ist, weil sie höchst persönlich sind. Etwa bei einer Eheschließung, der Erstel¬lung eines Testamentes oder der Abschluss eines Erbver¬trages, kann auch ein rechtlicher Betreuer nicht eingesetzt werden. Hier kann die Vertretung nicht Wirkungskreis einer rechtlichen Betreuung sein.

b) Unklarheiten bestehen immer wieder über die Reichweite einzelner Aufgabenkreise mit den daraus resultierenden Unsicherheiten hinsichtlich der Vertretungsbefugnis im Rechtsverkehr; im Einzelnen: Der Aufgabenkreis „Rechtsangelegenheit“ umfasst ebenso wie der der Vertretung in familienrechtlichen Angelegenheiten das Recht zur Vertretung des Betroffenen im Ehescheidungsverfahren. Umfasst die Betreuung die Vermögenssorge, ist der Betreuer berechtigt, den Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments für den geschäftsunfähig gewordenen Ehegatten entgegenzunehmen. Auch wenn das Gesetz die ausdrückliche Benennung der Befugnis zur Einwilligung in ärztliche Zwangsmaßnahmen im Aufgabenkreis nicht verlangt, soll dies zur Klarstellung notwendig sein. Der Aufgabenkreis der Vertretung vor Ämtern und Behörden hat keinen eigenständigen Regelungsinhalt, er berechtigt insbesondere nicht zur Vertretung im Strafverfahren. In der Praxis wird häufig die Postkontrolle in den Aufgabenkreis aufgenommen, um sicherzustellen, dass Dritte mit dem Betreuer in dessen Aufgabenkreis korrespondieren.

5. Der Einwilligungsvorbehalt

Nach § 1903 BGB kann zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten ein Einwilligungsvorbehalt (ohne Einwilligung des Betreuers kann der Betreute keine rechtlich verbindliche Erklärung abgeben) eingerichtet werden. Dieser schränkt die dem Betreuten grundsätzlich verbliebene Geschäftsfähigkeit und damit die Möglichkeit zur Teilnah¬me am Rechtsverkehr ein. Der Betreute kann in diesem Fall ein Geschäft nur dann wirksam abschließen, wenn der Be¬treuer dies genehmigt. Der Einwilligungsvorbehalt kann nicht generell bestimmt werden, es wird vielmehr für den jeweiligen Aufgabenkreis fest¬gelegt (meistens Vermögenssorge - Abschluss von Geschäften jeder Art). Der Betreute kann im Rahmen eines anderen Wir¬kungskreises, wie etwa in gesundheitlichen Angelegenhei¬ten, dann mit und neben dem Betreuer entscheiden. Häu¬fig wird von der Einrichtung eines Einwilligungsvorbehalts dann Gebrauch gemacht, wenn ein Betreuter krankheits¬bedingt Bankgeschäfte zu seinem Nachteil tätigt oder et¬wa, sehr oft über das Fernsehen oder das Telefon, unsinni¬ge Konsumgeschäfte abschließt, an verpflichtenden Ge-winnspielen teilnimmt, langfristige, wirtschaftlich nicht sinnvolle Verbindlichkeiten eingeht und sich dadurch er¬heblichen finanziellen Schaden zufügt. Der Einwilligungs¬vorbehalt ermöglicht es dem Betreuer, durch sein Veto die Wirksamkeit des Vertrages auszuschließen. Es ist dann ausreichend, den Vertragspartner durch den Betreuer schriftlich auf den Einwilligungsvorbehalt hinzuweisen und ihn (mit dem Beschluss des Gerichts) zu belegen.

Auch wenn eine Betreuung schon besteht, kann es sinnvoll sein, bei dem Betreuungsgericht ergänzend die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts anzuregen. Angehörige er¬fahren von solchen Geschäften häufig erst im Rahmen der Vermögensverwaltung, zum Beispiel durch Einsicht in die Kontenunterlagen.

Praxistipp: Achten Sie bitte auf das Verhalten des Betreuten: Wenn - wie im Vorgesagten - unsinnige Geschäfte abgeschlossen werden, muss beim Betreuungsgericht ein solcher Einwilligungsvorbehalt beantragt werden, auch wenn eine Betreuung schon besteht. Hier besteht wohl keine Möglichkeit, mit einer Vorsorgevollmacht dies „vorher“ zu regeln (sozusagen sich selbst als geschäftsunfähig zu erklären).

6. Die Betreuerauswahl

Es gilt der Vorrang der Einzelbetreuung, grundsätzlich ist eine natürliche Person als Betreuer zu bestellen (§1897 Abs. 1 BGB). Dabei haben im Ergebnis Familiengehörige Vorrang. Bei der Auswahl des Betreuers ist nämlich vor¬nehmlich auf die Vorschläge und Wünsche des Betroffenen abzustellen, sofern der Vorschlag mit dem Wohl des Be¬treuten vereinbar ist (§ 1897 Abs. 4 BGB). Die weit verbrei¬tete Ansicht, eine rechtliche Betreuung berge die Gefahr, dass „an den Angehörigen vorbei" eine fremde Person als Betreuer eingesetzt wird, trifft also nicht zu. Nach § 1897 Abs. 1 BGB kann das Gericht jedoch nur die Person zum Betreuer bestellen, die auch geeignet ist, in dem bestimm¬ten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen.

Nach § 1899 BGB können auch mehrere Betreuer einge¬setzt werden, jeder jedoch für einen oder mehrere be¬stimmte Wirkungskreise gesondert. Nur auf den zugewie¬senen Wirkungskreis bezieht sich dann das jeweils alleini¬ge Entscheidungsrecht. Zwar können auch mehrere Betreuer für denselben Wirkungskreis eingesetzt werden. Weil in diesem Fall die Betreuer nur gemeinsam handeln können (§ 1899 Abs. 3 BGB), wird im Hinblick auf den not¬wendigen Abstimmungsbedarf von dieser Lösung in der Praxis selten Gebrauch gemacht. Häufig wird jedoch ein Ersatzbetreuer (§ 1899 Abs. 4 BGB) für den Fall der Verhin¬derung des Hauptbetreuers bestellt.

Bei seiner Entscheidung hat der Richter, wenn es um die Einsetzung von Familienangehörigen als Betreuer geht, auch zu berücksichtigen, ob die Gefahr von Interessenkon¬flikten besteht (§ 1897 Abs. 5 BGB). Dies ist z.B. der Fall, wenn die Vermögenssorge und damit auch die Verwaltung von Immobilien, z.B. eines Hauses, zum Aufgabenkreis ge¬hören muss und der in Aussicht genommene Betreuer eine Wohnung in dem Hause bewohnt. Im Rahmen des Rechts¬verhältnisses hinsichtlich der Wohnung besteht dann eine Interessenkollision. Dies gilt grundsätzlich für alle Fälle, in denen zwischen dem Betroffenen und dem in Aussicht ge-nommenen Betreuer vertragliche Beziehungen, wie zum Beispiel ein Arbeitsverhältnis bestehen. Aus diesem Ge¬danken erklärt sich auch die Regelung in § 1897 Abs. 3 BGB. Danach darf ein Mitarbeiter, der in der Einrichtung beschäftigt ist, in der der Betroffene lebt, nicht zum Be¬treuer bestellt werden. Der Betroffene soll davor geschützt werden, dass dieser Mitarbeiter als sein Betreuer die Rech¬te des Betreuten nicht nachhaltig genug durchsetzen kann, weil er sich damit gegen seinen Arbeitgeber wenden müsste.

Außer den Familienangehörigen können auch andere eh¬renamtlich tätige Personen als Betreuer eingesetzt werden. Stehen solche Personen nicht zur Verfügung, muss das Ge¬richt einen beruflich tätigen Betreuer einsetzen. Dies kann nach § 1897 Abs. 2 BGB der Mitarbeiter eines nach § 1908f BGB anerkannten Betreuungsvereins (Vereins¬betreuer) sein. Auch in diesem Fall handelt es sich um die Einsetzung einer Einzelperson. Es wird eine namentlich be¬stimmte Person als Mitarbeiter des Betreuungsvereins ein¬gesetzt, die der Verein vorher benennt. Des weiteren kann ein Betreuer eingesetzt werden, der freiberuflich tätig ist. Die Voraussetzungen für die Tätigkeit als Berufsbetreuer ergeben sich aus dem Vormünder- und Betreuervergü-tungsgesetz.

Auch zwischen ehrenamtlich tätigen Betreuern einerseits und Vereins- oder Berufsbetreuern andererseits besteht die Möglichkeit des Splittings der Wirkungskreise, so dass et¬wa der beruflich tätige Betreuer die schwierigen Ver¬mögensangelegenheiten übernimmt und der Wirkungs¬kreis der Gesundheitsfürsorge einem Familienangehörigen übertragen wird. In der gerichtlichen Praxis wird von die¬ser Möglichkeit häufig dann Gebrauch gemacht, wenn der Familienangehörige zum Beispiel mit der Regelung der Vermögenssorge überfordert ist oder als Unterhaltsverpflichteter für Kosten der Sozialhilfebehörde haften soll.

7. Der Betreuungsbeschluss

Nach Abschluss seiner Ermittlungen auch hinsichtlich der Betreuerauswahl erlässt das Gericht einen Betreuungs¬beschluss.

Dieser enthält neben den Personalien des Betroffenen die Bezeichnung des Betreuers, für welche Wirkungskreise er eingesetzt wird und in welcher Funktion (als ehrenamtli¬cher Betreuer, Vereinsbetreuer oder Berufsbetreuer) er seine Betreuung ausübt. Wenn ein Einwilligungsvorbehalt an¬geordnet worden ist, wird festgelegt, auf welchen Auf¬gabenkreis (etwa die Vermögenssorge) er sich bezieht. Weiterhin wird bestimmt, innerhalb welcher Frist die Be¬treuung zu überprüfen ist (§ 286 FamFG). Die Überprü¬fungsfrist beträgt längstens sieben Jahre (§ 294 Abs. 3 FamFG).

8. Die Vergütung der Betreuertätigkeit

Rechtliche Betreuungen werden grundsätzlich unentgelt¬lich geführt (§ 1908i iVm. § 1836 BGB). Dem ehrenamt¬lich tätigen Betreuer wird aber ein Ersatz für seine Aufwendungen zugebilligt (§ 1908i iVm, § 1835a BGB). Er kann wählen, ob er die einzelnen Aufwendungen ab¬rechnen und entsprechend belegen will, oder ob er die pauschale Aufwandsentschädigung wählt. Diese beträgt jährlich 323,00 € und steht auch den Familienangehörigen des Betreuten zu. Wenn Vermögen vorhanden ist, kann der Betreuer diesen Betrag dem Vermögen des Betreuten entnehmen. Ist der Betreute mittellos, kann der Anspruch gegen die Staatskasse gerichtet werden (§ 1908i iVm. § 1835a BGB).

Die Betreuung wird ausnahmsweise entgeltlich geführt, wenn das Gericht in dem Betreuungsbeschluss feststellt, dass der Betreuer die Betreuung berufsmäßig führt. Dies trifft auf Vereinsbetreuer und freiberuflich tätige Einzelbetreuer zu. Die Höhe der Vergütung richtet sich nach dem Vor¬münder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG). Der Zeit¬aufwand wird pauschal festgesetzt. Dabei wird darauf ab-gestellt, wie lange die Betreuung schon besteht, ob der Betreute selbständig oder in einer Einrichtung lebt und ob wegen der Mittellosigkeit des Betreuten die Vergütung aus der Staatskasse zu zahlen ist. Die Einzelheiten ergeben sich aus § 5 VBVG.

9. Die Haftung des Betreuers

Der Betreuer muss gegenüber dem Betreuten und dessen Erben für vorsätzliche oder fahrlässige Pflichtverletzungen einstehen, also einen verursachten Schaden ersetzen (§ 1908i iVm. § 1833 BGB). Dies gilt auch dann, wenn er schuldhaft eine für den Betreuten notwendige Maßnahme unterlassen hat. Zu denken ist etwa an die Überschreitung der Vollmacht bzw. des Aufgabenkreises.

Praxistipp: Der Betreuer haftet nur selten in ganz besonderen Fällen für ein „Tun“ des Betreuten. Insoweit haftet der Betreute selbst mit seinem Vermögen, z.B. ein Betreuter, für den kein Einwilligungsvorbehalt besteht, bestellt “Unsinniges“ und ist nicht mehr in der Lage zu zahlen. Er haftet alleine mit seinem Vermögen; es haftet nicht das Vermögen des Betreuers.

Praxistipp für den Betreuer und den Bevollmächtigten: Achten Sie als Betreuer oder auch Bevollmächtigter darauf, dass Sie von den Erben in Regress genommen werden können! Thema: Bar-Geldabhebungen mit Bankvollmacht vom Konto des Betreuten.

Der Betreuer ist im Zweifel kein Aufsichtspflichtiger; er haftet also nicht für Handlungen des Betreuten unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes oder der Erfüllung von Verbindlichkeiten (z.B. der Betreute zündet ein Gebäude an; er schließt Verträge ab und kann sie nicht erfüllen). Hier haftet der Betreute alleine mit seinem eigenen Vermögen; im Zweifel muss er die Eidesstattliche Versicherung abgeben oder der Betreuer muss für ihn ein Insolvenzverfahren (meistens Verbraucherinsolvenz) beantragen. Natürlich besteht auch dann immer noch die Möglichkeit, mit Hilfe ärztlicher Gutachter zu beweisen, dass der Betreute schuldunfähig oder geschäftsunfähig war.

10.Das Zentrale Vorsorgeregister

Jede Vorsorgevollmacht kann in dem Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer in Berlin registriert werden. Dabei muss es sich nicht um eine notarielle Vollmacht, sondern kann sich auch um eine einfache privatschriftliche Erklärung handeln. Eine online-Anmeldung über www.zvr-online.de ist einfach möglich. Damit ist gewährleistet, dass die Vorsorgevollmacht (und auch die Patientenverfügung) „im Falle eines Falles“ auch tatsächlich gefunden werden. Denn Gerichte können vor der Anordnung einer gesetzlichen Betreuung über einen besonders geschützten Bereich im Internet bei dem Zentralen Vorsorgeregister anfragen und klären, ob es eine Vorsorgeurkunde gibt.

Praxistipp: Registrieren Sie sich im Vorsorgeregister auch, wenn Sie keine notarielle Vorsorgeurkunde haben erstellen lassen. Die Registrierung ersetzt aber keine notarielle Form.

11. Ausblick

a) Der zwischen CDU/CSU und SPD abgeschlossene Koalitionsvertrag enthält den Satz: „Wir wollen das Betreuungsrecht in struktureller Hinsicht verbessern und damit das Selbstbestimmungsrecht hilfebedürftiger Erwachsener bedarfsgerecht stärken. “Betreuung“ steht also im Koalitionsvertrag und wird damit politisch als ein bedeutendes Thema angesehen. Das war bisher nicht so. Natürlich ist die Formulierung im Koalitionsvertrag wie alle anderen relativ unpräzise.

b) Immer mehr Deutsche entscheiden sich für eine Vorsorgevollmacht. Durch die Vollmacht lässt sich vermeiden, dass ein Betreuungsgericht einen Fremden oder „den falschen Angehörigen“ zum gesetzlichen Betreuer bestimmt, was in den überwiegenden Fällen durch eine Generalvollmacht erfolgen kann. Dies einfach deshalb, weil der Zeitpunkt, wann denn jemand unter Betreuung zu stellen ist, manchmal schwierig festzustellen ist: Denn gerade die schleichende Krankheit der Demenz macht eine rechtliche Betreuung nicht „von heute auf morgen“ notwendig. Doch eine Generalvollmacht kann auch leicht missbraucht werden oder zur Streit in der Familie führen. Deshalb, und weil das Berufsbild des Berufsbetreuers sehr unklar umrissen ist, will die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode eine Änderung des Betreuungsrechts vorantreiben.

Ein prominentes Beispiel dafür, welche Probleme bei der Betreuung von Demenzkranken auftreten können, ist der aktuelle Fall des in einem Pflegeheim untergebrachten Alt-Bundespräsidenten Walter Scheel (95). Dessen Tochter Cornelia will per Gerichtsbeschluss erreichen, dass Barbara Scheel, die dritte Ehefrau ihres Vaters, künftig nicht mehr nach eigenem Gutdünken über seine Betreuung und sein Vermögen entscheiden kann. Doch die Hürden für eine Intervention der Justiz sind in derartigen Fällen hoch. Denn schließlich geht man davon aus, dass der Betroffene durch die Erteilung einer Vollmacht eine gesetzliche Betreuung ja gerade vermeiden wollte. Auch der Fall des allseits bekannten ehemaligen Fußball-Managers Rudi Assauer ist ein gutes Beispiel für die genaue und klärende Beratung „vor dem Fall der Fälle“. Denn nur in Ausnahmefällen wird ein sogenannter Kontrollbetreuer eingesetzt. Es ist generell nicht schlecht, wenn sich Familienmitglieder in Betreuungsfragen gegenseitig auf die Finger schauen. Wie genau das geschehen soll, steht noch in der Diskussion. Zum Beispiel könnte die Möglichkeit des Einsatzes eines Kontroll- oder auch Gegenbetreuers häufiger in Betracht gezogen werden als bisher. Denn diese „natürliche Kontrolle“ kann vermeiden, dass sich jemand bereichert oder einen Angehörigen in eine unwürdige Lage bringt. Wie viele Menschen in Deutschland eine Vorsorgevollmacht erteilt haben, weiß niemand genau. Denn wie beim Testament, so besteht auch bei dieser Vollmacht keine Pflicht, das Dokument beim Notar abzufassen oder registrieren zu lassen. Laut Bundesnotarkammer sind momentan mehr als 2,4 Millionen Vorsorgevollmachten registriert - Tendenz steigend.

Jedenfalls belegen die Zahlen der Urteile zu dem Thema der Betreuung, welche Bedeutung das Betreuungsrecht inzwischen gewonnen hat. Die dabei auftretenden Problemkonstellationen reichen von der Frage der Prozessfähigkeit eines Klägers mit der gegebenenfalls bestehenden Notwendigkeit der Einschaltung des Betreuungsgerichts, über die Frage der Wirksamkeit von Prozesshandlungen von Menschen mit psychischer Erkrankung bzw. geistiger oder seelischer Behinderung, insbesondere bei konkurrierendem Verhalten von Betreuer und Betroffenen, bis hin zu den Fragen, an wen wirksam zugestellt werden kann und welche Rechtsbehelfe bei Zustellungen an nicht erkennbar geschäftsunfähige Parteien bestehen. Insoweit werden in Zukunft hier besondere Rechtsfragen auf uns zukommen, deren Antworten auch heute noch nicht klar sind.

c) Im April 2015 wird der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen erstmals in einem internationalen Verfahren prüfen, wie Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention umsetzt. Gegenstand der Prüfung ist, ob die in der UN-Behindertenrechtskonvention verbrieften Rechte Behinderter in Deutschland eingehalten und in der Praxis konventionskonform umgesetzt werden. Auch dieser Entscheidung wird mit großem Interesse entgegengesehen.


Georg M. Hartmann
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familien- und Steuerrecht