Die Reform des Pflichtteilsrechts

Rechtsanwalt undFA für Steuer- und Familienrecht
Georg M. Hartmann


Anlässlich des 2. Deutschen Erbrechtstags im März 2007 in Berlin stellte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries die Eckpunkte einer geplanten Reform des Erbrechts vor. Dieser Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium liegt dem Fachausschuss vor. Es ist noch nicht abzusehen, wann er im Bundestag zur Abstimmung kommt. Die angedachten Reformpunkte werden aber schon lange auch unter den im Erbrecht tätigen Juristen diskutiert und als Gesetzesreform verlangt.

1.)

Das Pflichtteilsrecht lässt Abkömmlinge oder Eltern sowie Ehegatten und den Lebenspartner (nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz !) des Erblassers auch dann am Nachlass teilhaben, wenn sie der Erblasser durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hat. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils; diese Höhe bleibt durch die geplanten Neuerungen unberührt. Der Anspruch auf den Pflichtteil ist ein Anspruch auf Geld. Deshalb kann er bei größeren Vermögen in Immobilien oder Firmenvermögen zu größten finanziellen Engpässen bei dem Erben führen.

2.)

Die wichtigsten Punkte der Reform:
- Modernisierung der Gründe für die Entziehung des Pflichtteilsrechtes durch den Erblasser

Ein wesentliches Anliegen der Reform ist die Stärkung der Freiheit des Erblassers wem er nach seinem Tode "etwas zukommen lassen will oder nicht" (Testierfreiheit). Somit ist das Recht betroffen, durch Verfügung von Todes wegen über seinen eigenen Nachlass zu bestimmen und eben nicht durch die "Fessel des Pflichtteilsrechtes" über einen Teil überhaupt nicht bestimmen zu können. Dementsprechend werden in dem Entwurf die Gründe überarbeitet, die den Erblasser berechtigen, den Pflichtteil zu entziehen:
- Die Entziehungsgründe sollen vereinheitlicht werden. Bislang gelten zwischen den verschiedenen Pflichtteilsberechtigten Unterschiede, für die es keinen sachlichen Grund gibt.

- Darüber hinaus sollen künftig alle Personen geschützt werden, die dem Erblasser einem Ehegatten, Lebenspartner oder Kindern vergleichbar nahe stehen, z.B. Stief- und Pflegekinder. Eine Pflichtteilsentziehung soll auch dann möglich sein, wenn der Pflichtteilsberechtigte diesen Personen nach dem Leben trachtet oder sie körperlich schwer misshandelt. Nach derzeitiger Gesetzeslage ist dies nur bei entsprechenden Vorfällen gegenüber dem Erblasser, seinem Ehegatten, Lebenspartner oder seinen Kindern möglich.

- Der Entziehungsgrund des "ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels" soll entfallen. Er hat sich als zu unbestimmt erwiesen und rechtfertigt nur die Entziehung des Pflichtteils der Abkömmlinge, nicht aber die des Eltern- oder Ehegattenpflichtteils. Stattdessen soll künftig eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung zur Entziehung des Pflichtteils berechtigen, wenn es dem Erblassers unzumutbar ist, dem Verurteilten seinen Pflichtteil zu belassen. Gleiches soll bei Straftaten gelten, die im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen wurden.


- Bessere Möglichkeiten den Pflichtteilsanspruch stunden zu lassen

Besteht das Vermögen des Erblassers im Wesentlichen aus einem Eigenheim oder einem Unternehmen, müssen die Erben diese Vermögenswerte oft nach dem Tod des Erblassers verkaufen, um den Pflichtteil auszahlen zu können. Lösung bietet hier die bereits geltende Stundungsregelung, die jedoch derzeit sehr eng ausgestaltet und nur dem pflichtteilsberechtigten Erben (insbes. Abkömmling, Ehegatte) eröffnet ist. Mit der Reform soll die Stundung unter erleichterten Voraussetzungen und für jeden Erben durchsetzbar sein.

- Der Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen innerhalb der letzten 10 Jahre wird gemildert.

Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch kann für den Pflichtteilsberechtigten nach geltendem Recht bestehen, wenn der Erblasser Vermögenswerte an eine dritte Person - auch der Erbe - vor seinem Tode verschenkt und dadurch den Nachlass verringert. Dadurch ist es dem Erblasser möglich, die Erbschaft und damit den Pflichtteilsanspruch zu schmälern wenn nicht sogar auf "0" zu reduzieren. Deshalb werden bisher Schenkungen an Dritte aus den letzten 10 Jahren vor dem Tode des Erblassers zugunsten des Pflichtteilsberechtigten in voller Höhe berücksichtigt. Diese Schenkungen sind dem Erbe zuzurechnen und sodann erst ist der Pflichtteil zu berechnen. Der Pflichtteilsberechtigte hatte dann einen Anspruch ggfls auch gegen den Beschenkten, der nicht Erbe geworden ist.

Das bedeutet: Verstirbt der Erblasser auch nur einen Tag vor Ablauf dieser 10 Jahres Frist, wird der Pflichtteilsberechtigte für die Berechnung seines Anspruchs so gestellt, als gehöre die Schenkung noch zum Nachlass.

Die Reform sieht nun vor, dass die Schenkung für die Pflichtteilsberechnung immer weniger Berücksichtigung findet, je länger sie zurück liegt: Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall wird demnach voll in die Berechnung des Nachlasses einbezogen, im zweiten Jahr jedoch nur noch zu 9/10, im dritten Jahr zu 8/10 usw. berücksichtigt. Damit wird sowohl dem Erben als auch dem Beschenkten mehr Planungssicherheit eingeräumt.

- Bessere Honorierung von Pflegeleistungen beim Erbausgleich

Auch außerhalb des Pflichtteilsrechts wird das Erbrecht vereinfacht und modernisiert. Ein wichtiger Punkt ist die bessere Berücksichtigung von Pflegeleistungen bei der Erbauseinandersetzung. Zwei Drittel aller Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt, über die finanzielle Seite wird dabei selten gesprochen. Trifft der Erblasser auch in seinem Testament keine Ausgleichsregelung, geht der pflegende Angehörige heute oftmals leer aus. Erbrechtliche Ausgleichsansprüche gibt es nur für einen Abkömmling, der unter Verzicht auf berufliches Einkommen den Erblasser über längere Zeit pflegt. Künftig soll jeder gesetzliche Erbe einen Ausgleich für Pflegeleistungen erhalten und zwar unabhängig davon, ob er für die Pflegeleistungen auf ein eigenes berufliches Einkommen verzichtet hat. Die Bewertung der Leistungen wird sich an der gesetzlichen Pflegeversicherung orientieren.

Rechtsanwalt und FA für Steuer- und Familienrecht Georg M. Hartmann