Erbenhaftung für den verstorbenen Erblasser

-Wenn Kinder für den Lebenswandel ihrer Eltern haften-

Sprichwort aus Westfalen: „Wer nichts erheiratet und nichts ererbt, bleibt ein armer Teufel bis dass er sterbt.“


I. Darstellung des Problemfeldes

Haftet der Erbe für Schulden des Erblassers (des Verstorbenen)?

§ 1922 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Gesamtrechtsnachfolge

(1) Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über………

Also auch die Schulden? Ja!

Mit dem Erbfall geht das Vermögen des Erblassers als Ganzes auf die oder den Erben über. Zur Erbschaft gehören somit neben den Aktiva auch die Passiva, also die Verbindlichkeiten des Erblassers.

§ 1967 BGB = Erbenhaftung, Nachlassverbindlichkeiten

(1) Der Erbe haftet für die Nachlassverbindlichkeiten.

(2) Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören außer den vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen.

Diese Vorschrift stellt klar, dass der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten haftet. Gemeint ist damit, dass der Erbe persönlich anstelle des Erblassers Schuldner der Verbindlichkeit wird. Im deutschen Erbrecht gilt der Grundsatz der unbeschränkten Erbenhaftung. Danach hat der Erbe grundsätzlich (zunächst einmal) mit seinem gesamten Vermögen für die übernommenen Erblasserverbindlichkeiten einzustehen, d.h. sowohl mit dem persönlichen Eigenvermögen als auch mit dem Nachlass.¬

Wir unterscheiden verschiedene Schulden nach ihrer Entstehung. Dadurch ist besser festzustellen, ob es sich tatsächlich um eine Schuld des Erblassers oder (auch) eine eigene Schuld des Erben handelt.

  • Erblasserschulden = vom Erblasser herrührende Schulden.
  • Erbfallschulden = Pflichtteilsansprüche gegen den Erben; Vermächtnisse; „Dreißigster“; Beerdigungskosten; Erbschaftsteuern.
  • Erbschafts-Verwaltungsschulden = Kosten, die mit der Nachlassabwicklung entstehen.
  • Nachlasserbenschulden = die nach dem Erbfall durch ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahmen entstehen (grundsätzlich gleichzeitig auch Eigenschuld der Erben; Bsp.: der Erbe beauftragt teuren Grabschmuck);

Im Gesetz ist besonders erwähnt, dass der Erbe die Kosten der Beerdigung zu tragen hat (§ 1986 BGB) und verpflichtet ist, Familienangehörigen des Erblassers, die zur Zeit des Todes des Erblassers zu dessen Hausstand gehören und von ihm Unterhalt bezogen haben, in den ersten 30 Tagen nach dem Eintritt des Erbfalls in demselben Umfang, wie der Erblasser es getan hat, Unterhalt zu gewähren und die Benutzung der Wohnung und der Haushaltsgegenstände zu gestatten (§ 1969 BGB; sogenannter „Dreißigster“).

Aber: keine Haftung aus Strafvorschriften oder bereits ausgeurteilten Strafen gegen den Erblasser (Thema: Der Erbe findet das Schwarzgeldkonto in Luxemburg).

Damit steht fest: alle Schulden gehen auf den Erben unbeschränkt über. Es haftet mit dem geerbten und dem eigenen Vermögen.


II. Wie kommt man aus dieser Mausefalle wieder raus?

Denn die Erbenhaftung ist beschränkbar auf das, was man geerbt hat. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten, von denen man nach anwaltlichem Rat – je nach Situation - Gebrauch machen kann:

1. Das Totschlagsinstrument: Die Ausschlagung

Die Ausschlagung der Erbschaft ist in § 1944 BGB geregelt; sie muss innerhalb einer Frist von 6 Wochen für im Inland lebende Erben/6 Monate für im Ausland lebende Erben formwirksam erfolgen.

Stichpunkte:

  • Die Ausschlagung kann nur binnen sechs Wochen erfolgen.
  • Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt. Ist der Erbe durch Verfügung von Todes wegen berufen (Testament; Erbvertrag), beginnt die Frist nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht. ………
  • Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland hatte oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält.

Problemfelder:

  • Sechs Wochen sind im Zweifel zu kurz, um sich einen Überblick zu verschaffen.
  • Ab wann weiß ich, dass ich Erbe geworden bin?
  • Was ist, wenn ich das Erbe schon angenommen habe? Wann habe ich das Erbe angenommen? Kann ich Teile der Erbschaft ausschlagen?
  • Bei welcher Behörde schlage ich aus?
  • Muss ich auch für meine minderjährigen Kinder ausschlagen?
  • Bewusste Ausschlagung als Gestaltungsmöglichkeit, um Steuern zu sparen?

Besonderheiten: Die Anfechtung der Ausschlagung oder die Anfechtung der Annahme der Erbschaft nach § 1954 BGB.

  • Anfechtungsfrist ebenfalls 6 Wochen/6 Monate. Es gilt § 344 Abs. 7 FamilienFG.
  • Anfechtungsgrund: allgemeine Anfechtungsgründe des BGB (Irrtum); Versäumung der Anfechtungsfrist.

Stichpunkte: Vor der Annahme der Erbschaft können Nachlassverbindlichkeiten gegen den Erben gerichtlich nicht geltend gemacht werden (§ 1958 BGB). Anhängige Prozesse können unterbrochen werden mit entsprechendem Antrag bei Gericht;
Es darf nur in den Nachlass vollstreckt werden (§§ 778,779 Zivilprozess Ordnung);
Kein Schuldnerverzug.

Rat: Sind Sie sich nicht wirklich sicher, dass die Erbschaft überschuldet ist, warten Sie ab, holen sich Rat ein.

2. Die geschickteren Möglichkeiten:

Die Haftung des Erben für die Schulden ist aber beschränkbar auf den Nachlass, also das, was geerbt wurde (§§ 1975 ff BGB).

a) Die Vorbereitungsmaßnahmen:

aa) Die Inventarerrichtung (§ 1993 BGB)

Mit dem Begriff „Inventar“ ist das gesamte Vermögen (Aktiva und Passiva) des Erblassers gemeint. Der Erbe selbst kann es erstellen bzw erstellen lassen (§ 2002,2003 BGB); ebenso der Gläubiger, derjenige also, der eine Forderung gegen den Erblasser hatte.

Die Wirkungen der Inventarerrichtung ergeben sich aus § 2009 BGB:

Ist das Inventar rechtzeitig errichtet worden, so wird im Verhältnis zwischen dem Erben und den Nachlassgläubigern vermutet, dass zur Zeit des Erbfalls weitere Nachlassgegenstände als die angegebenen nicht vorhanden gewesen seien.

Jeder Nachlassgläubiger kann dem Erben eine Frist – höchstens 3 Monate – zur Inventarerrichtung setzen lassen (§ 1994 BGB). Durch die Aufstellung des Inventars wird die Haftung nicht sofort beschränkt, aber das Gegenteil kann eintreten: Wenn man nach Aufforderung kein Verzeichnis erstellt oder ein falsches Verzeichnis erstellt, folgt eine unbeschränkbare Haftung wegen Verletzung der Inventaraufstellung.

Der Antrag des Gläubigers auf Erstellung eines Inventarverzeichnisses ist die „Angriffswaffe“ der Gläubiger § 2005; 2013 BGB; § 784 Abs. 1 Satz 2 ZPO:

Tipp: Wenn Sie eine Forderung gegen einen Nachlass haben, fordern Sie den Erben auf, binnen 3 Wochen ein Nachlaßverzeichnis aufzustellen. Wenn er es nicht oder falsch macht, haben Sie mit Ihrer Forderung „freie Fahrt“ ohne Begrenzung.

bb) Das Aufgebotsverfahren (§§ 454 ff. FamFG = Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit)):

Im Erbrecht dient das Aufgebotsverfahren der Feststellung, welche und wie viele Nachlassverbindlichkeiten es gibt.

§ 454 Aufgebot von Nachlassgläubigern; örtliche Zuständigkeit

(1) Für das Aufgebotsverfahren zur Ausschließung von Nachlassgläubigern auf Grund des § 1970 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten die nachfolgenden besonderen Vorschriften.

(2) Örtlich zuständig ist das Amtsgericht, dem die Angelegenheiten des Nachlassgerichts […]

§ 455 Antragsberechtigter

(1) Antragsberechtigt ist jeder Erbe, wenn er nicht für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt haftet.

(2) Zu dem Antrag sind auch ein Nachlasspfleger, Nachlassverwalter und ein Testamentsvollstrecker berechtigt, wenn ihnen die Verwaltung des Nachlasses zusteht.

(3) Der Erbe und der Testamentsvollstrecker können den Antrag erst nach der Annahme der Erbschaft stellen

§ 456 Verzeichnis der Nachlassgläubiger

Dem Antrag ist ein Verzeichnis der bekannten Nachlassgläubiger mit Angabe ihres Wohnorts beizufügen.

Gläubiger des Erblassers, die ihre Rechte nicht fristgerecht anmelden, können nach dem Ausschlussurteil nur noch Forderungen aus dem Nachlass, nicht aber aus dem weiteren Vermögen der Erben verlangen. Hierdurch erhalten die Erben die Sicherheit, ob der Nachlass überschuldet ist oder nicht.

Beantragt der Erbe das Aufgebot nicht, obwohl er mit unbekannten Nachlassverbindlichkeiten rechnen muss, verletzt er schuldhaft seine Insolvenzantragspflicht (§ 1980 Abs. 2 BGB).

b) Die eigentlichen Maßnahmen zur Haftungsbegrenzung:

aa) Die Nachlassinsolvenz (§ 1975, 1980 BGB, § 315 ff. Insolvenzordnung)

Das Problemfeld der Nachlassinsolvenz ist die oben genannte rechtliche Vereinigung der beiden Vermögensmassen des Erben und des Erblassers. Ziel ist es daher, die Vermögensmassen zu separieren, die Haftung auf den Nachlass zu begrenzen und eine gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger nach Quoten (eben keine Befriedigung nach dem Motto: wer zuerst kommt, mahlt zuerst) zu finden; der Erbe hat bei einer Überschuldung des Nachlasses eine Antragspflicht; diese Pflicht hat er aber nicht vor Annahme der Erbschaft; spätestens aber nach Vorlage eines Erbscheines hat er ein Antragsrecht.

Folge eines solchen Insolvenzverfahrens ist

  • bei Eröffnung der Nachlassinsolvenz:
    keine Haftung mehr mit dem Eigenvermögen auch nach Abschluss des Nachlassinsolvenzverfahrens; Erschöpfungseinrede nach § 1989 BGB:
    Ist das Nachlassinsolvenzverfahren durch Verteilung der Masse oder durch einen Insolvenzplan beendet, so findet auf die Haftung des Erben die Vorschrift des § 1973 (Ausschluss von Gläubigern) entsprechende Anwendung.
  • bei Abweisung der Insolvenz mangels Masse:
    der Erbe hat die „Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses“ nach § 1990 BGB (siehe unten)

bb) Nachlassverwaltung (§§ 1975,1981 ff BGB)

Mit der Nachlassverwaltung ebenso wie mit der oben genannten Nachlassinsolvenz, kann eine Absonderung des Nachlasses vom Eigenvermögen erreicht werden. Diese Nachlassverwaltung ist aber auch eine Form der Nachlaßpflegschaft und kann auch bei unbekannten Erben als solche auf Antrag eingerichtet werden. Es handelt sich um eine auf Antrag durch das Nachlassgericht angeordnete Pflegschaft mit dem Ziel der Befriedigung der Nachlassgläubiger. Sie dient insbesondere bei unübersichtlichem Nachlass der Trennung des eigenen Vermögens des Erben vom Nachlass und bewirkt, dass die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass beschränkt wird.

In § 1975 ff. BGB heißt es dazu:

Die Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten beschränkt sich auf den Nachlass, wenn eine Nachlaßpflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger (Nachlassverwaltung) angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist.

Mit der Anordnung der Nachlaßpflegschaft geht die Befugnis, den Nachlass zu verwalten und über ihn zu verfügen, vom Erben auf den Nachlasspfleger über (§ 1984 BGB). Antragsberechtigt für die Anordnung der Nachlassverwaltung ist der Erbe; für die Pflegschaft jeder, der ein rechtliches Interesse an dem Erbfall hat (also zB: ein Erbe ist nicht vorhanden). Falls mehrere Erben existieren, können die Miterben den Antrag nur gemeinschaftlich und vor der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft stellen (§ 1981 BGB). Nachlassgläubiger können einen entsprechenden Antrag innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach Annahme der Erbschaft stellen, wenn die Befriedigung ihrer gegen den Nachlass gerichteten Forderungen gefährdet erscheint.

Kommen Nachlassverwaltung und -insolvenz nicht in Betracht, weil der Nachlass zur Deckung der hierfür entstehenden Kosten nicht ausreichend ist, sieht das Gesetz für den Erben

cc) Die Dürftigkeitseinrede gemäß §§ 1990, 1991 BGB

Die Dürftigkeitseinrede ergibt sich aus § 1990, 1991 BGB

Ist die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wegen Mangels einer den Kosten entsprechenden Masse nicht tunlich oder wird aus diesem Grunde die Nachlassverwaltung aufgehoben oder das Insolvenzverfahren eingestellt, so kann der Erbe die Befriedigung eines Nachlassgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlass nicht ausreicht. Der Erbe ist in diesem Fall verpflichtet, den Nachlass zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben.

Antragsberechtigt sind der Erbe, der Nachlasspfleger und auch der Testamentsvollstrecker. Voraussetzung, um diese Einrede, zu erheben ist: Keine ausreichende Kostendeckung für ein amtliches Verfahren wie Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz;

Wichtig ist dabei aber, dass die Beweislast für diese Dürftigkeit beim Erben liegt: zu führen durch Errichtung eines Inventars (siehe oben als Vorbereitungsmaßnahme) nach den §§ 1993 ff BGB oder Abweisung des Insolvenzantrages.

Wenn schon ein Urteil gegen den Erblasser vorliegt, ist eine Abwehr gegen diese Forderung in das Eigenvermögen des Erben nur über die Vollstreckungsabwehrklage möglich. Das Urteil wird dann beschränkt auf die Erbmasse (§ 780 ZPO; §§ 784 Absatz 1, 785,767 ZPO). Damit ist dann erreicht, dass eine Vollstreckung in das Eigenvermögen des Erben nicht möglich ist.

Die Erhebung dieser Einrede bewirkt im Gegensatz zur Nachlassverwaltung und -insolvenz allerdings keine Trennung der Vermögensmassen, sondern nur, dass eine Vollstreckung der Nachlassgläubiger in das Eigenvermögen des Erben unmöglich.

Steuerrechtliche Auswirkungen der Dürftigkeitseinrede (diese Grundsätze sind m.E. auf alle verwaltungsrechtlichen/ sozialhilferechtlichen Bescheide etc. anzuwenden)

Nach § 45 Satz 1 Abgabenordnung (AO) gehen die Steuerschulden des Erblassers auf den Erben über, wie dies zivilrechtlich für Erblasserschulden vorgesehen ist. Dies schließt ein, dass auch die Dürftigkeitseinrede grundsätzlich bei den Steuerbehörden Berücksichtigung finden muss. Hiermit ist indes noch keine Aussage darüber getroffen, in welchem Verfahrensabschnitt die Dürftigkeitseinrede zu berücksichtigen ist. Es stellt sich die Frage, ob die Dürftigkeitseinrede bereits zu einem Erlöschen des Steueranspruchs im Steuerfestsetzungsverfahren führt oder ob es sich um ein im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigendes Vollstreckungshindernis handelt. Darüber hinaus bleibt unklar, ob der Erbe für die Geltendmachung der Dürftigkeitseinrede eine bestimmte (formgebundene) Rechtshandlung vorzunehmen hat oder ob die Einrede von Amts wegen Berücksichtigung finden kann.

Tipp: Um jeder Problematik an dieser Stelle zu entgehen, sollte in allen behördlichen Verfahren mit Forderungen des Erblassers gegen den Erben unter Hinweis auf die Dürftigkeitseinrede gegen Bescheide ein Rechtsbehelf eingelegt werden.

Zusammenfassung: Die Dürftigkeitseinrede gemäß §§ 1990, 1991 BGB ermöglicht dem Erben, seine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass zu beschränken. Zivilprozessual ist die Einrede bereits im Verfahren vor den Zivilgerichten geltend zu machen, wo sie entweder zu einem Vorbehalt im Urteil gemäß § ZPO § 780 Abs. ZPO § 780 Absatz 1 ZPO führt oder die Durchsetzbarkeit des Gläubigeranspruchs verhindert.

Steuerrechtlich ist die Dürftigkeitseinrede über die Verweisung in § 45 Absatz 2 AO zu berücksichtigen. Dabei kann sie nicht bereits im Steuerfestsetzungsverfahren Berücksichtigung finden oder dem Leistungsgebot entgegengehalten werden, sondern stellt eine erst im Vollstreckungsverfahren geltend zu machende Einwendung dar. Zur Erhebung der Dürftigkeitseinrede ist nach zutreffender Auffassung aber die Einlegung eines Einspruchs erforderlich (anders die h. M. in der steuerrechtlichen Rechtsprechung und Literatur, nach der eine formlose Geltendmachung möglich sein soll).


III. Fünf Beispielsfälle mit Lösungsstichworten

Fall 1: Vater lebte gut

Der arbeitslose Sohn Harry Lustig und die Tochter Lucy Dumm, Hausfrau, wissen, dass ihr Vater, der auf Kosten des Sozialamtes im Altenheim lebt, stirbt und hat keinerlei Geld. Er hat nur Schulden von ca 20.000 € bei verschiedenen Gläubigern (Banken und Privatpersonen) hat. Der Vater hat weder ein Testament noch Erbvertrag erstellt.

Lösungsansatz:

Ausschlagung; aber daran denken, wer wird dann Erben und müssen diese dann auch ausschlagen. Frist 6 Wochen; hier wohl gerechnet nach dem Tode, weil Kinder, die mit den Eltern Kontakt haben und deren Vermögensverhältnisse kennen, wissen, dass sie gesetzliche Erben sind.

Fall 2: Die Überraschung

Vollkommen überraschend erhält die Studentin „Clara“ aus Münstermaifeld Post vom Amtsgericht Frankfurt, Nachlassabteilung. Es wird ein Testament eröffnet, in dem steht: „Als meine alleinige Erbin setze ich meine Nichte Clara geb am 10.03.1995, Obertor Münstermaifeld zur Alleinerbin meines Vermögens ein, Onkel Pfiffikus.“

Die ersten Erkundigungen nach dem unbekannten Onkel ergeben, dass er ein Unternehmen in Frankfurt betreibt und mit irgendwelchen Plastikteilen für Autos handelt. Beim näheren Überblick und Rückfragen bei den 15 Angestellten und dem Steuerberater sieht es sehr gut aus. Dann findet sie auch noch ein Sparkassendepot mit 100.000 €. All diese Erkundigungen dauern jedenfalls länger als 6 Wochen.

Was raten Sie nun?

Lösungsansatz: Inventar errichten; Aufgebot für die Gläubiger (hier ist ein laufender Betrieb betroffen!). Jedes „Einmischen in den Betrieb“ könnte eigene Verpflichtungen auslösen zB bei Auftragserteilung. Im Zweifel an Nachlassverwaltung denken.

Fall 3: Herr Kauzig und die Folgen seines Todes

Herr Kauzig, Pensionär, (68) lebt in Köln in sehr kleinen Verhältnissen – kleine Mietwohnung-Rente 1.300 €; mit seinem einzigen Sohn und anderen Verwandten hat er seit Jahren keinerlei Kontakt. Auf der Straße trifft ihn eines Tages der Schlag; er ist sofort tot. Die „billig“ Beerdigung übernimmt aus Anstandsgründen ein Nachbar. Kosten 2.100 €. Der Vermieter fragt, was nun? Ausräumen, alles weg werfen oder was? Es gibt für die letzten beiden Monate Mietschulden. Keiner weiss Bescheid; der Vermieter mit Zeugen lässt in Windeseile alles ausräumen und zunächst mal unterstellen (Kosten der Aktion 1900 €), damit er die Wohnung wieder schnell vermieten kann.

Lösungsansatz: Der Vermieter oder/und der Nachbar sollen beim Nachlassgericht Antrag auf Nachlaßpflegschaft (Nachlassverwaltung) stellen und ihre Forderungen anmelden.

Fall 4: Die sonderbare Ehefrau

Frau „Trulla“ ist verheiratet mit Herrn Oberstudiendirektor „Weißvonnichts“. Er allein hat ein Aktiendepot und ein Einkommen von 3.200 €. Die Finanzen halten sie getrennt, weil Frau „Trulla“ eine Modeboutique betreibt, die auch mal nicht so gut geht. Einen Ehevertrag haben sie nicht. Sie kauft immer alle Lebensmittel ein; er übernimmt alles andere –Miete-Versicherungen- usw. Dass sie Schulden wegen des Geschäfts hat, ist ihm klar, wie viele weiss er nicht. Sie stirbt, er ist aufgrund eines gemeinsamen Testamentes Alleinerbe. Er schlägt sofort die Erbschaft aus als er den Kontostand von 2.500 € im Soll sieht und wegen des Geschäftes böses ahnt. 2 Monate nach dem Tode findet er beim Ausräumen die Unterlagen über ein Konto in Luxemburg, von dem er nichts wusste. Auskünfte von der Luxemburger Bank bekommt er nicht, weil er keinen Erbschein erhält.

Lösungsansatz:

Zu früh gehandelt! Er wäre besser beraten gewesen ein Inventarverzeichnis zu erstellen und je nach Überblick über die Gläubiger ein Aufgebotsverfahren zu beantragen, um dann erst zu entscheiden ob nun Nachlassinsolvenz oder Nachlassverwaltung. Anfechtung der Ausschlagung dürfte nicht greifen, da kein gesetzlicher Grund für diese Anfechtung vorliegt. Aber zum Trost: im Zweifel hat er noch einen Zugewinnausgleichsanspruch (§ 1371 Abs. 2 BGB).

Fall 5: Der Tod durch Steuerbescheid oder die Reparatur durch Ausschlagung

Die reichen Eheleute Fritz (89) und Elisabeth Gierig (87) haben nun endlich ein Testament gemacht und sich gegenseitig zum Alleinerben bestimmt. Einen Ehevertrag mit dem Ausschluss des Zugewinnausgleiches hatten sie schon zu Beginn der Ehe gemacht, weil Ehemann Fritz in Saus und Braus lebte. Über den Wert ihres heutigen Vermögens (zum Teil ererbt) haben sie keinen genauen Überblick, weil das Aktiendepot immer mal wieder „rauf und runter geht“ und die drei Miethäuser noch nie bewertet wurden. Ihre drei leiblichen Kinder haben sie im Testament nicht bedacht, weil man sich mit allen gut versteht und der Überlebende es schon richten werde.

Ehemann Fritz ereilt der Schlag mit dem sofortigen Tode. Es wird getrauert. Noch mehr getrauert wird als der Erbschaftsteuerbescheid ins Haus flattert. Die Ehefrau hat zwar 600.000 € Freibetrag, aber das Finanzamt hat gerechnet und kam auf eine Erbschaft des Gatten Fritz von immerhin 1,5 Mio. Einen eventuell steuerfreien Zugewinnausgleich hat sie wegen des Ehevertrages nicht. Die Forderung des Finanzamtes von 171.000 € lässt Frau Elisabeth ins Koma fallen und kurz darauf sterben. Die Kinder zahlen nun zuerst einmal die 171.000 € und warten auf den Steuerbescheid nach dem Tode der Mutter.

Lösungsansatz: das Testament war vollkommen misslungen, weil von den beiden die Steuerlast verkannt wurde. Deshalb hätte nach Beratung Elisabeth die Erbschaft ausschlagen müssen; Erben wären dann die Kinder geworden: Freibetrag 3 x 400.000 € eine Sicherstellung für sie wäre in einem Parallelvertrag sicherlich gefunden worden.


IV. Delikatessen zum Schluss, die jedermann wissen sollte, aber nicht muss

Der Erbe/Miterbe sollte beachten:

  1. Der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau wird vererbt (aber begrenzt): § 1586b BGB.
  2. Es gibt einen Ausbildungsanspruch des Stiefkindes für eine angemessene Ausbildung: § 1371 Abs. 4 BGB.
  3. Die (schwangere) Mutter des noch nicht geborenen Erben hat einen Unterhaltsanspruch (§ 1963 BGB). Wir erinnern uns: In § 1923 Abs. 2 BGB ist verankert, dass auch erbberechtigt ist, wer zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht lebte, aber bereits gezeugt war. Der deutsche Gesetzgeber behandelt den Embryo so, als wäre dieser vor dem Erbfall geboren worden. Demzufolge ist ein Embryo in Deutschland ohne Weiteres erbfähig und gegenüber bereits lebenden Personen nicht im Nachteil.