Kündigung im Spannungsfeld der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung

… und warum kündigen trotzdem sinnvoll sein kann …


Friedrich Wilhelm Dittmann,
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Auch wenn das Kündigungsschutzgesetz grundsätzlich Optionen zur wirksamen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber enthält, stoßen diese regelmäßig an Grenzen. Grund dafür ist die langjährige Rechtsprechung der Arbeitsgerichte, die immer höhere Barrieren im Bereich der Begründetheit aufbaut und Arbeitgeberanwälte vor schier unlösbare Probleme stellt. Am Ende des Tages werden überhöhte Abfindungsvergleiche akzeptiert, um lang andauernden Prozessen hohe und Lohnzahlungen ohne Gegenleistung zu vermeiden.

Es macht in der anwaltlichen Beratung keinen Sinn, in Problemen zu denken, sondern nur nach Lösungen zu suchen, die es auch tatsächlich gibt. Dabei ist von den drei gesetzlich vorgegebenen Begründungsansätzen auszugehen:

  • Die personenbezogenen Gründe (krankheitsbedingte Kündigung)
  • Die verhaltensbedingten Gründe
  • Die betriebsbedingten Gründe

Anstatt zu philosophieren, ob der oder die Gründe nach der subjektiven Bewertung des Arbeitsrichters zum Prozessgewinn reichen, sollte man sichbesser mit dem folgenden Prüfungsschema befassen:

1. Betriebsgröße

Das Kündigungsschutzgesetz kommt nur zur Anwendung in Betrieben mit regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmern ohne Berücksichtigung der Auszubildenden. Es geht nicht nur um das Zählen von Köpfen, da Teilzeitbeschäftigte bis 20 Wochenstunden nur mit 0,5 zählen und bis 30 Wochenstunden mit 0,75.

Liegt der Betrieb innerhalb der Grenze, kann eine ordentliche Kündigung erfolgreich ausgesprochen werden. Geprüft werden nur Willkürgesichtspunkte, sodass man sich hüten muss, irgendeine Begründung in die Kündigung zu schreiben. Das ist jedenfalls eine wichtige Schnittstelle für die strategische Vorgehensweise.

2. Befristung

Als nächstes bleibt zu prüfen, ob ein befristeter Vertrag vorliegt. Eine Befristung ohne Sachgrund ist bis max. 24 Monate möglich und 3 Verlängerungen innerhalb des Zeitfensters. Je nach Dauer kann es sinnvoll sein, einfach den Ablauf der Vertragsdauer abzuwarten, um sich die Schwierigkeiten des Kündigungsverfahrens zu sparen.

3. Relative Vorbereitung

Wenn 1. und 2. nicht weiterhelfen, dann muss die Kündigung mit allen Risiken angegangen werden.

Eine optimale Vorbereitung des Kündigungsschutzprozesses kann es für Arbeitgeber nicht geben, da die Systematik des Ablaufes in fast allen Fällen zwangsläufig zu Stolperfallen führt. Aber es sollte zumindest eine relative Vorbereitung gewährleistet sein, damit man nicht sofort argumentativ in die Ecke getrieben wird.

  • Die personenbezogenen Gründe (krankheitsbedingte Kündigung)

    Eine ausreichende Anzahl an Krankheitstagen sollte gegeben sein, wenn eine personenbedingte Kündigung beabsichtigt ist. Dabei ist eine Langzeiterkrankung von1,5 bis 2 Jahre Maßstab oder eine Vielzahl von Kurzzeiterkrankungen von ca. 30 Tagen in einem Zeitfenster der letzten 3 – 5 Jahren. Es muss eine negative Zukunftsprognose möglich sein.

    Auch ein BEM (betriebliches Eingliederungsmanagement) gehört zum Pflichtprogramm. Das Gespräch muss im Lichte der Selbsteinschätzung des Arbeitnehmers und der Prüfung von leidensgerechten Arbeitsplätzen geführt werden.

  • Die verhaltensbedingten Gründe

    Störendes Verhalten des Arbeitnehmers oder mangelhafte Leistung (Low Performer) sollten i.d.R. nicht sofort mit einer Kündigung beantwortet werden. Ein ausreichendes Maß an Abmahnungen ist erforderlich, um überhaupt eine halbwegs vertretbare Position im Prozess zu erreichen.

    Bei Leistungsdefiziten sollten erst unterstützende Hilfsmaßnahmen angeboten werden.

  • Die betriebsbedingten Gründe

    Auf die Frage nach der Sozialauswahl sollte man eine Antwort haben. Ein zielführendes Punktesystem für die Parameter Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsverpflichtungen ist immer sinnvoll.

    Beachtenswert ist auch die gesetzliche Option, Altersgruppen zu bilden und dann die Sozialauswahl in der jeweiligen Gruppe durchzuführen. Das vermeidet eine „Vergreisung“ der Belegschaft.

    Innerhalb der sozialen Auswahl müssen die Arbeitnehmer vergleichbar sein. Arbeitnehmer mit besonderen Fähigkeiten können außen vor gelassen bleiben.

4. Asymmetrische Demobilisierung

Jenseits einer guten Vorbereitung ist allerdings die konkrete Prozessstrategie entscheidend. Dabei kommt anwaltliche Erfahrung ins Spiel, die eine Einschätzung des Gegners erleichtert.

Der Königsweg im Kündigungsschutzprozess ist die asymmetrische Demobilisierung, d.h. man geht auf dasKlageziel ein, in der Erwartung damit den „Wind aus den Segeln zu nehmen“ und gleichzeitig erfolgreich zu sein. Instrumente sind das Prozessarbeitsverhältnis oder die Rücknahme der Kündigung. Versetzung und Abfindungen sind weitere Möglichkeiten.

  • Das Prozessarbeitsverhältnis

    Ein wirkungsvolles Instrument zur Vermeidung von überzogenen Abfindungszahlungen ist das so genannte Prozessarbeitsverhältnis (Die Weiterbeschäftigung im laufenden Verfahren auch über den Kündigungstermin bis zum Ende des Kündigungsschutzprozesses). Schon die Drohung mit dem Prozessarbeitsverhältnis im Gütetermin wirkt oft Wunder, da erfahrungsgemäß Arbeitnehmer, die gekündigt werden, nicht ernsthaft daran interessiert sind, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Oft flüchten Arbeitnehmer in die Krankheit, was eine Begrenzung der Lohnzahlungen zeitigt.

    Selbst wenn es zum negativen Prozessergebnis kommt, erhält man wenigstens eine Gegenleistung, wenn das Verfahren schon nicht gewonnen wird.

  • Rücknahme der Kündigung

    Wenn man sich die Erkenntnis, dass gekündigte Arbeitnehmer in der Regel nicht an ihren Arbeitsplatz zurückkehren wollen, zu eigen macht und gleichwohl kein Prozessarbeitsverhältnis aus Gründen wie auch immer beginnen will, sollte man eine andere Variante in Erwägung ziehen. Es macht durchaus Sinn, eine einmal ausgesprochene Kündigung zurückzunehmen, wenn die geprüften Erfolgsaussichten schlichtweg zu gering sind. In solchen Fällen kommt es regelmäßig vor, dass der Arbeitnehmer die Kündigung doch auch noch akzeptiert, um die Rückkehr an den Arbeitsplatz zu vermeiden. Hier kann nur der Mut zum Risiko empfohlen werden. Die Erfolgsquote ist hoch.

  • Versetzung

    Auch das Angebot einer alternativen Tätigkeit ist in Einzelfällen eine Alternative. Gibt es freie Plätze, muss im Arbeitsvertrag geprüft werden, ob im Rahmen der Direktionsbefugnis eine Versetzung geht oder eine Änderungskündigung notwendig ist.

    Die Änderungskündigung hat den strategischen Vorteil für den Arbeitgeber, das der Arbeitnehmer in Zugzwang gerät.

  • Abfindung

    Eine Abfindung sollte immer als Option geprüft werden. Bei relativ kurzen Arbeitsverhältnissen (bis ca. 5 Jahren) ist es immer sinnvoll, sich mit einerAbfindungszahlung in einer Größenordnungvon 1 bis 2 Gehältern sofort aus dem Kündigungsschutzprozess zu verabschieden. Erfahrungsgemäß amortisiert sich das in einem Jahr, im Zweifel durch gesparte Lohnfortzahlung für 6 Wochen.

Schlussbemerkung: Die Durchführung des Prozesses bis zur rechtskräftigen Entscheidung ist in der Regel die schlechteste Lösung, es sei denn, die Qualität der Begründung ist so stark, dass das Risiko minimal ist. Lassen Sie sich auf alle Fälle, frühzeitig beraten.