Am 10. Juli 2025 klärte der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 10.7.2025 – Az. IX ZR 108/24, FamRZ 2025, 1698) eine zentrale Frage zur Insolvenzanfechtung im Zusammenhang mit gemeinsamen Immobiliendarlehensverpflichtungen von Ehegatten. Soviel vorweg: In Höhe der Tilgungszahlungen hat der Insolvenzverwalter ein Erstattungsanspruch gegen den Ehegatten.
§ 134 Abs. 1 InsO erklärt eine unentgeltliche Leistung des Schuldners für anfechtbar, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden. In Höhe der Tilgungszahlungen für einen gemeinsames Immobiliendarlehen liegt nach der Rechtsprechung des BGH Unentgeltlichkeit vor. Der Insolvenzverwalter hat ein Erstattungsanspruch gegen den Ehegatten.
Sachverhalt
Der zu beurteilende Sachverhalt betraf ein Ehepaar, das gemeinsam ein Grundstück mit einem Einfamilienhaus erwarb. Beide Ehegatten wurden jeweils zur Hälfte Miteigentümer. Zur Finanzierung des Kaufs nahmen sie ein gemeinsames Darlehen auf. Im weiteren Verlauf leistete allein der Ehemann – der spätere Insolvenzschuldner – die monatlichen Raten, die sowohl Zins- als auch Tilgungsleistungen umfassten. Es handelte sich um eine klassische Alleinverdienerehe. Der Insolvenzverwalter nahm die Ehefrau nun unter dem Gesichtspunkt unentgeltlicher Leistungen gemäß § 134 Abs. 1 InsO auf Erstattung der hälftigen Darlehensraten nebst Zinsen in Anspruch. § 134 Abs. 1 InsO erklärt eine unentgeltliche Leistung des Schuldners für anfechtbar, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.
Rechtliche Bewertung
In seiner Entscheidung differenzierte der BGH zwischen den Zins- und Tilgungszahlungen. Die Zinszahlungen wurden als unterhaltsrechtlich geschuldet eingestuft und sind daher nicht insolvenzrechtlich anfechtbar. Diese dienten wirtschaftlich auch der Finanzierung des Wohnbedarfs und sind insofern der Miete vergleichbar. Anders verhalte es sich jedoch mit den Tilgungsleistungen: Diese führten – so der BGH in konsequenter Anwendung der unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung bei einer intakten Ehe – zu einer Vermögensbildung auf Seiten der Ehefrau, indem das gemeinsam erworbene Immobilieneigentum lastenfrei wurde.
Da die Ehefrau keinen Ausgleich für die Tilgungsleistungen erbrachte, wurden diese als unentgeltliche Leistungen im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO gewertet und waren somit anfechtbar. Weder die Haushaltsführung noch die Kinderbetreuung durch die Ehefrau wurden als insolvenzrechtlich relevante Gegenleistungen anerkannt.
Kernaussagen des BGH
Eine unentgeltliche Leistung liegt dann vor, wenn keine objektiv gleichwertige Gegenleistung erbracht wird. Im vorliegenden Fall wurden die Tilgungszahlungen durch den Ehemann ohne eine entsprechende Ausgleichszahlung der Ehefrau geleistet. Solche ehebedingten Zuwendungen – dazu zählen beispielsweise Zahlungen, die im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgen – stellen nach Auffassung des BGH keine entgeltlichen Leistungen im Sinne der Insolvenzanfechtung dar.
Das Unterhaltsrecht verpflichtet zwar zur Sicherstellung des Familienunterhalts, jedoch nicht zur Bildung von Vermögen, wie sie etwa beim Erwerb eines Eigenheims entsteht. Die Tilgung eines Darlehens, das dem Erwerb des gemeinsamen Hauses dient, ist somit nicht vom Unterhaltsrecht gedeckt, soweit dadurch Vermögen aufgebaut wird.
Selbst wenn innerhalb der Ehe eine Vereinbarung besteht, dass der Ehemann die Darlehensraten allein zahlt, ändert dies nichts an der rechtlichen Bewertung: Die Tilgungsleistungen bleiben in vollem Umfang anfechtbar. Denn die Tilgungszahlungen führten dazu, dass das gemeinsam erworbene Immobilieneigentum lastenfrei wurde, ohne dass die Ehefrau hierfür eine Gegenleistung erbrachte.
Infolge dieser Tilgungszahlungen wurden die Gläubiger benachteiligt, da dem Schuldnervermögen Werte entzogen und auf die Ehefrau übertragen wurden. Dies rechtfertigt die Anfechtbarkeit der Tilgungsleistungen nach § 134 Abs. 1 InsO.
Meinung
Aus meiner Sicht wurde zutreffend kritisiert, dass der Entscheidung des BGH eine praktisch-wirtschaftliche Betrachtung fehlt. Tilgungsleistungen sollten zumindest noch insoweit als nicht unentgeltlich und mithin nicht anfechtbar eingestuft werden, als sie zusammen mit den Zinszahlungen den Wohnwert nicht übersteigen. Zwar können im Insolvenzrecht grundsätzlich keine hypothetische Mietzahlung angenommen werden. Dennoch sollten Tilgungsleistungen bis zur Höhe üblicher Mietzahlungen wie Zinszahlungen behandelt werden, da Eigenheime nun einmal nicht allein der Vermögensbildung, sondern üblicherweise auch der Befriedigung des Wohnbedarfs dienen. Es könnten also die Kosten ermittelt werden, die ansonsten zur Anmietung einer angemessenen Familienwohnung erforderlich gewesen wäre. (vgl. dazu mit weiteren Nennungen: Anmerkung Prof. Dr. Markus Würdinger zu BGH Urt. v. 10.7.2025 – IX ZR 108/24, FamRZ 2025, 1702) Das erscheint mir auch stimmig, da der Ehegatte faktisch an der Tilgungsleistung partizipiert. Ab Rechtshängigkeit eines Scheidungsverfahrens partizipiert er durch Erhöhung seines Unterhalts. Durch die Tilgung steigt faktisch der Ehegattenunterhalt, weil der Bedarf des Unterhaltsberechtigten wächst. Vom Wohnwert können daher bei nicht intakter Ehe Finanzierungszinsen und Tilgung abziehbar sein. (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 21.05.2025 – 13 UF 53/21 unter Verweis auf Wendl/Dose UnterhaltsR/Gerhardt, 10. Aufl. 2019, § 1 Rn. 510)
Den Gedanken einmal fortgesetzt: Wäre die Entscheidung des BGH eigentlich anders ausgefallen, wenn sich die Ehegatten im Scheidungsverfahren befunden hätten? Lässt sich das mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbaren?
Wenig Gestaltungsmöglichkeit
Um sicherzustellen, dass Tilgungszahlungen im Rahmen gemeinsamer Darlehensverpflichtungen von Ehegatten nicht als unentgeltliche Leistungen im Sinne der Insolvenzordnung (§ 134 Abs. 1 InsO) qualifiziert und somit anfechtbar werden, können etwa vertragliche Gestaltungen, insbesondere des Zeitpunkts der Erfüllung des Ausgleichsanspruchs in Betracht gezogen werden. Um die Tilgungszahlungen echt insolvenzfest zu gestalten, ist aber zu beachten, dass rein familienrechtliche Absprachen über die alleinige Tragung der Darlehensraten durch einen Ehegatten ohne einen Ausgleichsmechanismus insolvenzrechtlich nicht ausreichen, um Tilgungsleistungen vor einer Anfechtung zu schützen.
Der Verfasser dieses Beitrags ist zugleich ADAC Vertragsanwalt.