Das Ergebnis für den Kläger könnte schlechter nicht sein. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat am 28. Mai 2025 im Verfahren Saúl Luciano Lliuya gegen RWE (Az. 5 U 15/17) die Berufung eines peruanischen Bauern und Bergführers zurückgewiesen, der fast zehn Jahre lang eine Klimaklage gegen den Energieriesen führte. Das OLG Hamm steht einer zivilrechtliche Haftung großer CO₂-Emittenten für Klimafolgen jedoch nicht generell ablehnend gegenüber. Das birgt auch Risiken!
Das Urteil des OLG Hamm vom 28. Mai 2025 gilt trotz Abweisung der Klage als wichtiger Schritt im Klimarecht, da es die zivilrechtliche Haftung großer CO₂-Emittenten für Klimafolgen grundsätzlich bestätigt.
Hintergrund
RWE wurde auf anteilige Beteiligung an den Kosten für Schutzmaßnahmen gegen eine mögliche Flutwelle, ausgelöst durch einen Gletschersee oberhalb der Stadt Huaraz verklagt. Der Kläger argumentierte, dass RWE für etwa 0,38 % der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich sei und daher entsprechend an den Schutzkosten beteiligt werden müsse.
Haftungsrisiko?
Das Oberlandesgericht Hamm erkannte zwar die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Haftung großer CO₂-Emittenten an. So könne nach Ansicht des Gerichts eine Verpflichtung zur Kostenbeteiligung bestehen, wenn eine konkrete Beeinträchtigung drohe. An einer solchen konkreten Gefährdung des Grundstücks fehlte es nach Ansicht des Gerichts hier allerdings. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Flutwelle das Haus des Klägers innerhalb der nächsten 30 Jahre erreicht, wurde auf etwa ein Prozent geschätzt, was als zu gering für eine Haftung angesehen wurde.
Wie hätte wohl das Gericht entschieden, wenn ein wahrscheinlich betroffener Nachbar geklagt hätte? Ein großer juristischer Fachverlag titelte bereits: „Nur die Flut muss er noch beweisen“
Das Urteil des OLG Hamm eröffnet jedenfalls neue Perspektiven für zivilrechtliche Ansprüche gegen große CO₂-Emittenten. Nur einige denkbare Ansprüche, die thematisiert werden…
- Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche (§ 1004 BGB): Betroffene können gegen Störer vorgehen, wenn eine konkrete Beeinträchtigung ihres Eigentums droht.
- Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB): Wenn Betroffene Schutzmaßnahmen ergreifen, könnten sie unter bestimmten Voraussetzungen Ersatz der Aufwendungen von den Verursachern verlangen.
- Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB): Bei ungerechtfertigter Bereicherung durch unterlassene Schutzmaßnahmen könnten Rückforderungsansprüche bestehen.
Das Urteil betont, dass die Entfernung zwischen Emissionsquelle und Schadensort allein kein Ausschlusskriterium für eine Haftung ist. Alle genannten Ansprüche setzen jedoch voraus, dass eine konkrete Gefahr für das Eigentum besteht und der Verursachungsbeitrag des Emittenten signifikant ist.
Das Urteil markiert einen bedeutenden Schritt in der Entwicklung des Klimarechts und der Verantwortlichkeit großer Emittenten für globale Klimafolgen. Es schafft für diese bedeutende Haftungsrisiken.
Die Entscheidung aus Hamm ist geeignet in einem Atemzug mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 (Az. 1 BvR 2656/18 u.a.) genannt zu werden, der seinerseits bereits einen Meilenstein im deutschen Klimarecht darstellt. Die Verfassungshüter erklärten damals Teile des Bundes-Klimaschutzgesetzes von 2019 für verfassungswidrig, da es keine ausreichenden Regelungen für die Zeiträume ab 2031 enthielt. Dies wurde als Verstoß gegen die Grundrechte der jüngeren Generationen gewertet. Konkret sahen die Verfassungsrichter die zukünftigen Generationen drastischen Freiheitseinschränkungen ausgesetzt, um Klimaziele zu erreichen. Eine solche einseitige Belastung ist mit den Grundrechten nicht vereinbar. Der Beschluss aus Karlsruhe führte zu einer Novellierung des Bundes-Klimaschutzgesetzes. Die Bundesregierung verschärfte in der Folge die Klimaziele, zog das Ziel der Klimaneutralität auf 2045 vor und legte erstmals konkrete Emissionsziele für die Zeiträume nach 2030 fest.
Bedeutung über CO₂-Emittenten hinaus?
Die Entscheidung hat nicht unmittelbare Auswirkung auf die Verpflichtungen aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Dennoch: Das LkSG verpflichtet Unternehmen, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten entlang ihrer gesamten Lieferkette einzuhalten. Eine Verletzung der vorgegebenen Pflichten begründet gemäß § 3 Abs. 3 Lieferkettensorgfaltsgesetz zwar keine zivilrechtliche Haftung. Eine unabhängig von diesem Gesetz begründete zivilrechtliche Haftung bleibt jedoch unberührt.
Die Entscheidung des OLG Hamm, dass eine Haftung nicht an der geographischen Entfernung zwischen Emissionsquelle und Schadensort scheitert, sondern bei konkreter Gefährdung und signifikantem Verursachungsbeitrag bestehen kann, erhöht aus meiner Sicht zumindest die Gefahr einer Inanspruchnahme. Unternehmen werden jedenfalls allein durch die Bekanntheit der Entscheidung viel mehr die Klimafolgen ihrer Geschäftstätigkeit auch im internationalen Kontext und über die gesamte Lieferkette hinweg beachten und bewerten müssen. Die Marschrichtung ist durch die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) aber ohnehin vorgegeben.
Der Verfasser dieses Beitrages ist zugleich ADAC Vertragsanwalt.