Das Verkehrsrecht im Wandel der Zeit
Wichtige Neuerungen durch Rechtsprechungs- oder Gesetzesänderungen

Rechtsanwalt Andreas J. Tryba
Fachanwalt für Verkehrsrecht


Das Verkehrsrecht ist einem immerwährenden Wandel unterzogen. Es soll daher ein kurzer Blick auf verkehrsbezogene gerichtlichen Entscheidungen und die gesetzlichen Neuerungenim Verkehrszivil- und dem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht geworfen werden.

1. Transportkostenzuschuss vor Nacherfüllung

Wenn ein Fahrzeug mangelhaft ist, stehen dem Käufer die kaufrechtlichen Mangelrechte aus § 437 BGB zu. Der Käufer hat den Verkäufer zunächst zur Mangelbeseitigung aufzufordern und kann bei erfolgloser Fristsetzung oder Unzumutbarkeit vom Kaufvertrag zurücktreten.Eine Nachbesserung gilt zudem grundsätzlich nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen, wenn sich nicht insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt.

Der Erfüllungsort der Nacherfüllung liegt am Sitz des Schuldners der Nacherfüllung, also beim Verkäufer des Fahrzeugs. Anderes gilt regelmäßig nur dann, wenn die Vertragsparteien Abweichendes vereinbart haben.

Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers setzt also grundsätzlich die Zurverfügungstellung des mangelbehafteten Fahrzeugs am Sitz des Verkäufers voraus. Bei Rüge der Mangelhaftigkeitdes Fahrzeugs ist der Käufer also verpflichtet, das Fahrzeug dem Verkäufer zwecks Überprüfung und Nacherfüllung an der vertragsschließenden Niederlassung zur Verfügung zu stellen. Der Käufer hat das Fahrzeug dem Verkäufer zu bringen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenzhat dazu bereits in der Vergangenheit klargestellt, dass die Nacherfüllung jedoch nicht mit erheblichen Unannehmlichkeiten für den Verbraucher verbunden seindarf. Erhebliche Unannehmlichkeiten können sich aus Sicht des OLG Koblenz für den Käufer eines Kraftfahrzeuges daraus ergeben, dass er ein nicht fahrtüchtiges Fahrzeug von seinem Wohnsitz zu einem weit entfernten Sitz des Verkäufers transportieren muss. In einem solchen Fall soll daher der Belegenheitsort der Kaufsache als Erfüllungsort der Nacherfüllung anzusehen sein. (vgl. Urt. v. 20.04.2015, AZ: 12 U 97/14)

Dieses Jahr hat nun auch der BGH mit Urt. v. 19.07.2017 − VIII ZR 278/16Gelegenheit gehabt,zu dieser Thematik Stellung zu nehmen. Nach der Entscheidung des BGH muss der Käufer das Fahrzeug zwar grundsätzlich zum Verkäufer bringen, damit dieser das Fahrzeug untersuchen kann. Sollte das Fahrzeug aber tatsächlich mangelbehaftet sein, hat der Käufer einen Anspruch auf Ersatz der Transportkosten. Unter Verweis auf den Schutzzweck der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie spricht der BGH dem Käufer aber nicht nur einen Erstattungsanspruch auf die Transportkosten zu, sondern legt dem Verkäufer auch eine Vorschusszahlungspflicht auf die Transportkosten auf. Sollte sich im Zuge der Überprüfung beim Verkäufer dann herausstellen, dass gar kein Mangel vorliegt, kann der Verkäufer das Geld beim Kunden wieder herausverlangen.

Dementsprechend liegt ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers – zumindest, wenn er Verbraucher ist – vor, wenn er den Verkäufer zur Zahlung eines Vorschusses auf die voraussichtlich entstehenden Transportkosten auffordert und damit seine Bereitschaft zur Verbringung des Fahrzeugs kundtut. Scheitert die Nacherfüllung an der ausgebliebenen Vorschusszahlung durch den Verkäufer, so kann der Käufer dann ohne weiteres Zutun vom Vertrag zurücktreten. Der Erfüllungsort bei der Rückabwicklung des Vertrages liegt im Übrigen grundsätzlich dort, wo sich das Fahrzeug befindet, d.h. regelmäßig am Wohnsitz des Käufers.

Bekanntlich hat jede Medaille zwei Seiten. Der Nachteil der verbraucherfreundlichen Rechtsprechung des BGH liegt auf der Hand: Sollte sich im Zuge der Überprüfung beim Verkäufer herausstellen, dass gar kein Mangel vorliegt, kann der Verkäufer die vorgelegten Transportkosten beim Kunden zwar wieder herausverlangen. Dem Verkäufer wird damit aber das Prozess- und Insolvenzrisiko aufgebürdet. Insofern scheint es für den Verkäufer zweckmäßig, eine Abholung des Fahrzeugs am Belegenheitsort, also regelmäßig beim Käufer zu prüfen. Damit würde auch der noch weitergehenden Ansicht des OLG Koblenz Rechnung getragen.

2. Winterreifenpflicht

Am 01.07.2017 sind Änderungen der Straßenverkehrsvorschriften in Kraft getreten. Seit 2010 gilt die situative Winterreifenpflicht. Fahrzeugführer, die bei Schnee oder Glatteis ohne Winterreifen unterwegs sind, droht bekanntlich ein Bußgeld. Künftig wird auch der Halter zur Kasse gebeten werden. Zu beachten gilt für diesen, dass beginnend mit dem Produktionsdatum 01.01.2018 (DOT 0118) zukünftig nur noch solche Reifen als Winterreifen anerkannt werden, die mit dem Alpine-Symbol (Bergpiktogramm mit Schneeflocke) gekennzeichnet sind. Bisher genügten mit „M+S“ gekennzeichnete Winterreifen.Winterreifen mit „M+S“-Kennzeichnung, aber ohne Alpine-Symbol, die vor dem 01.01.2018 gekauft werden, können allerdings noch bis zum 30.09.2024 weiter genutzt werden.

Bei Nichteinhaltung dieser Regelungen droht dem Fahrzeugführer ein Bußgeld ab 60 Euro. Bei zusätzlicher Behinderung droht sogar ein Bußgeld von 80 Euro. Zusätzlich zum Bußgeld erfolgt jeweils die Eintragung eines Punktes in Flensburg. Der Halter, der die Inbetriebnahme ohne die erforderliche Bereifung mit dem Alpine-Symbol anordnet oder zugelassen hat, hat mit einer Geldbuße von 75 Euro und der Eintragung eines Punktes im Fahreignungsregister zu rechnen hat.

Die Bußgelder dürften gegenüber anderen Folgen der Nichteinhaltung dieser Regelungen jedoch oft noch vertretbar sein. Denn kommt es wegen des Einsatzes untauglicher Bereifung zum Unfall, kann dies zur erheblichen Leistungskürzung des Kaskoversicherers wegen grober Fahrlässigkeit führen.

3. Blutprobenentnahme

Ab einer Blutalkoholkonzentration von 0,3 Promille kann die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit angenommen werden, wenn bestimmte Ausfallerscheinungen den Schluss auf eine alkoholbedingte Fahrunsicherheit zulassen. Wird eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit festgestellt, kann das zu einer strafrechtlichen Verurteilung nebst Entzug der Fahrerlaubnis führen. Auf die 0,5 Promille-Grenze aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht kommt es dabei nicht an. (vgl. dazu den Vortrag aus dem Mandantenseminar 2012 „Die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit: Weihnachtsfeier − Glühwein – Verkehrskontrolle“)

Wenn Tatsachen den Verdacht begründen, dass es alkoholbedingt zu einer Gefährdung des Straßenverkehrs gekommen ist oder der Tatbestand der Trunkenheit im Verkehr erfüllt ist, durfte zwecks gerichtsfesten Nachweises der Alkoholisierung die Blutprobenentnahme bisher nur durch einen Richter und bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (Polizei) angeordnet werden. Eine Bewusste Umgehung des Richtervorbehalts hatte zur Folge, dass das Blutprobenergebnis nicht verwertet werden durfte, also der erforderliche Tatnachweis nicht zu führen war.

Mit der jüngsten Änderung des § 81a StPOdurch das „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ kann die Blutentnahme nun standardmäßig und ohne Begründung von Gefahr im Verzug, durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizeibeamten angeordnet werden.

§ 81a StPO
(2) Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von Satz 1 keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Straftat nach § 315a Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 und 3, § 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a, Absatz 2 und 3 oder § 316 des Strafgesetzbuchs begangen worden ist.

Ein richterlicher Beschluss ist nicht mehr erforderlich.

4. Deckungsauschluss für Touristenfahrten

Jährlich zieht es eine nicht unerhebliche Anzahl von Freunden des Motorsportes an die Nordschleife des Nürburgrings oder andere Rennstrecken. Wenige machen sich vor dem Befahren der Nordschleife Gedanken über die Folgen. Diejenigen, die sich Gedanken machen, gelangen auf die Internetseite http://www.ringspeed.de/archive/493, auf der geschrieben steht:

››[…] Grundsätzlich ist es so, dass die Nordschleife während der sogenannten Touristenfahrten als mautpflichtige Privatstrasse gilt. Die in diesem Rahmen geltende StVO sorgt also dafür, dass sich ein Versicherer nicht aus der Zahlungsverantwortung bei Schadensfällen ziehen kann. Die Touristenfahrten dienen dazu, dass jedermann die Strecke befahren darf, um mal ein wenig Faszination zu spüren. Vom Fast-Rennauto trifft man dort alles bis hin zum ollen Kombi mit kompletter Familie an Board. Sinn und Zweck ist es also nicht, Höchstgeschwindigkeiten zu erzielen, Rekorde zu brechen oder wilde Zweikämpfe auszutragen. Es geht schlicht darum, Spaß zu haben. Aus diesem Grunde ist es auch seitens der N-GmbH verboten Rundenzeiten zu stoppen!

Es ist also Fakt, dass die KFZ Versicherungen im Falle eines Haftpflicht- oder Kaskoschadens (Teil- und Vollkasko) zahlen müssen. Ebenfalls kommt der ADAC für die Abschleppkosten auf, sollte das einmal nötig sein. Ich beziehe mich hier auch nicht nur auf Hören-Sagen, sondern aus eigener leidlicher Erfahrung! Allerdings gibt es keine Regel ohne Ausnahme: es gibt einige wenige Versicherungsgesellschaften, die in ihren AGB’s ausdrücklich untersagen, Rennstrecken (meist wird explizit die Nordschleife genannt) zu befahren. Erstaunlicherweise sind das oftmals nicht gerade die günstigsten Versicherer. Es ist also mehr als ratsam, vor dem ersten Besuch der Nordschleife, sich mit den AGB’s vertraut zu machen oder noch besser eine entsprechende schriftliche Bestätigung der Versicherung einzuholen!‹‹

Dabei lehnen Kaskoversicherer regelmäßig die Erstattung des Fahrzeugschadens ab, wenn es auf einer Rennstrecke zu einem Schadenereignis gekommen ist. Das OLG Karlsruhe befasste sich etwa im Urteil vom 15.04.2014 − Az: 12 U 149/13 mit der Frage, ob der Versicherungsnehmer von der Kraftfahrtversicherung die Regulierung eines auf der Nordschleife des Nürburgrings entstandenen Haftpflicht- und Kaskoschadens erwarten kann.

In den Versicherungsbedingungen der Kaskoversicherung war der Versicherungsschutz für Fahrten auf Motorsport-Rennstrecken mit den Worten ausgeschlossen:„Kein Versicherungsschutz besteht für Schäden, die bei der Beteiligung an Fahrtveranstaltungen entstehen, bei denen es auf Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt. Dies gilt auch für dazugehörige Übungsfahrten. Darüber hinaus besteht kein Versicherungsschutz für jegliche Fahrten auf Motorsport-Rennstrecken, auch wenn es nicht auf Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt (z. B. bei Gleichmäßigkeitsfahrten, Touristenfahrten). Versicherungsschutz besteht jedoch für Fahrsicherheitstrainings.“

Das OLG Karlsruhe entschied, dass die Ausschlussklausel in den Vertragsbedingungen des Kaskoversicherers weder überraschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB noch intransparent im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sei. Das gelte trotz des Umstandes, dass vom Leistungsausschluss wiederum Fahrsicherheitstrainings ausgenommen sind.Die Klausel sei ohne Weiteres aus sich heraus verständlich. Eine Motorsport-Rennstrecke stelle eine Strecke dar, die dem Motorsport gewidmet sei und auf der (für diese Zeit der Widmung) kein öffentlicher Straßenverkehr im Sinne der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften stattfinde. Dass die Strecke hier außerhalb von Zeiten organisierter Veranstaltungen für die Allgemeinheit in dem Sinne zugänglich sei, dass jedermann die Möglichkeit habe sie gegebenenfalls gegen Zahlung eines Entgelts zu nutzen, nehme ihr die Eigenschaft als Motorsport-Rennstrecke nicht.

Das OLG Karlsruhe konnte daher offenlassen, ob es sich hier um ein Rennen oder eine Übungsfahrt handelte, da bei Befahren der Nordschleife des Nürburgrings jedenfalls eine Fahrt auf einer Motorsport-Rennstrecke gemäß der Ausschlussklausel vorliegt. Um ein vom Risikoausschluss ausgenommenes Fahrsicherheitstraining konnte es sich jedenfalls nicht gehandelt haben, da hierfür die Anwesenheit zumindest einer Person vorauszusetzen ist, welche die Teilnehmer anleitet, das Fahrverhalten beobachtet, Hinweise gibt und so zur Optimierung des Fahrverhaltens beiträgt.

Erneut musste sich dieses Jahr das OLG Hamm (Beschluss v. 08.03.2017 – Az. 20 U 213/16) mit der Frage befassen, ob einem Motorsportfreund wegen eines Unfalls auf der Nordschleife des Nürburgrings ein Anspruch aus der Vollkaskoversicherung zusteht.Ausweislich der Fahrordnung und der Sicherheitsregeln des Betreibers des Nürburgrings fand während des Unfalls eine als „Touristenfahrt“ bezeichnete Veranstaltung statt.

Mit dem Versicherungsvertrag der Kaskoversicherung war eine Ausschlussklausel vereinbart, in der es unter der Überschrift „Touristenfahrten“ hieß: „Kein Versicherungsschutz besteht für Touristenfahrten auf offiziellen Rennstrecken.“

Das OLG Hamm stufte die Nordschleife des Nürburgrings ebenfalls als offizielle Rennstrecke ein, da es genüge, wenn die Strecke in Zeiten organisierter Veranstaltungen als „offizielle Rennstrecke“ i. S. einer Strecke für ein Rennen dient und auch außerhalb dieser Zeiten dem öffentlichen Verkehr nicht frei zugänglich ist.Es kommt also gerade nicht darauf an, dass die Voraussetzungen Touristenfahrt und offizielle Rennstrecke zeitgleich bzw. kumulativ vorliegen müssen.

Der Deckungsausschluss für Touristenfahrten auf offiziellen Rennstrecken setzt nach Ansicht des OLG Hammalso nicht voraus, dass die Strecke während der Touristenfahrt eine offizielle Rennstrecke darstellt.

Die Entscheidungen der vorgenannten Oberlandesgerichte steht im Einklang mit einer Entscheidung des OLG Köln vom 21.11.2006 − 9 U 76/06, dass sich mit einer den Musterbedingungen AKB 2008 (A.2.16.2) nachgebildeten Ausschlussklausel eines Kaskoversicherers zu befassen hatte, die einen Haftungsausschluss für solche Schäden vorsah, die bei Beteiligung an Fahrveranstaltungen, bei denen es auf Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt, oder den dazugehörigen Übungsfahrten entstehen.

Vor dem Befahren der Nordschleife des Nürburgrings lohnt sich daher immer die Lektüre des Kleingedruckten im Versicherungsvertrag und die Aufforderung an den Haftpflicht- und Kaskoversicherer, schriftlich zu bestätigen, dass Schäden im Falle eines Falles reguliert werden. Sollte eine Ausschlussklausel für Motorsport-Rennstrecken oder Touristenfahrten im Versicherungsvertrag vorhanden sein oder gar der Versicherer eine Deckungszusage nicht erteilen, lohnt sich der Abschluss einer speziellen Zusatzversicherung.

5. Keine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung

Wenn die Reparaturkosten einschließlich Mehrwertsteuer und zuzüglich der gegebenenfalls eingetretenen Wertminderung am Fahrzeug den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs nicht überschreiten, liegt ein klassischer Reparaturschadensfall vor. Der Geschädigte steht dann vor der Wahl:

  • Abrechnung (konkret) auf Reparaturkostenbasis
  • Abrechnung (fiktiv) auf Gutachtenbasis bzw. auf Basis eines Kostenvoranschlags

Entscheidet sich der Geschädigte für die fiktive Abrechnung, so kommt es grundsätzlich nicht darauf an, welche Kosten er tatsächlich aufwendenmusste. Vorausgesetzt, die aufgewandten Kosten übersteigen nicht den regulierten Nettobetrag. Bei fiktiver Abrechnung ist der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln. Der Geschädigte ist im Gegenzug nicht dazu verpflichtet, die von ihm tatsächlich oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret darzulegen. Sollte der Geschädigte aber tatsächlich mehr aufgewandt haben, so kann er zur konkretenAbrechnung unter Vorlage der Reparaturkostenrechnung übergehen. Ein Übergang von fiktiver zur konkreten Abrechnung ist nur dann nicht mehr möglich, wenn der Schadenersatzanspruch aus Verkehrsunfall bereits verjährt ist.

Bei konsequenter Anwendung dieser Grundsätze ist auch die Umsatzsteuer selbstverständlich nur dann zu ersetzen, wenn sie auch tatsächlich angefallen ist (§ 249 Abs. 2 Satz 2 BGB), wenn also ein Beleg für deren Entstehung vorleget wird. Bei der rein fiktiven Abrechnung wird der auf die Reparaturkosten entfallende Umsatzsteueranteil dagegen nicht erstattet.

In der Praxis wurde unter Verweis auf die Gesetzesbegründung zu § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB versucht, die Umsatzsteuer auch bei fiktiver Abrechnung mit tatsächlich durchgeführter Reparatur ersetzt zu bekommen. Getreu dem Motto „ich kenn jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt“, wurde das unfallbeschädigte Fahrzeug beispielsweise durch einen befreundeten Kfz-Mechatroniker repariert. Danach wurde ein Sachverständiger damit beauftragt die Durchführung der sach- und fachgerechte Reparatur zu bestätigen. Die dafür entstandenen Kosten und die im Rahmen des Ersatzteilerwerbs angefallene Umsatzsteuer wurden sodann ergänzend geltend gemacht. Die Rechnung war ganz simpel: Es werden Wiederherstellungskosten auf Grundlage der fiktiven Schadensberechnung erstattet. Mit einem Bruchteil der Regulierungssumme wurde eine Reparatur auf Selbstkostenbasis vorgenommen und die für den Ersatzteilerwerb entstandene Umsatzsteuer ebenfalls ersetzt verlangt. Als maximale Obergrenze wurden die Bruttoreparaturkosten herangezogen.

§ 249 Art und Umfang des Schadensersatzes
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun mitUrteil vom 24.01.2017 – VI ZR 146/16 nochmals ausdrücklich klargestellt, dass es von der konsequenten Anwendung der Schadensabwicklungsgrundsätze keine Ausnahmen gibt, also eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensberechnung nicht zulässig ist.

In dem vom BGH entschiedenen Fall machte eine Geschädigte auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens fiktive Reparaturkosten geltend. Nach erfolgter Reparatur durch den Lebensgefährten, der ausgebildeter Kfz-Mechatroniker ist, ließ sich die Geschädigte die Ordnungsgemäßheit der Reparatur durch einen Sachverständigen bescheinigen. Der Sachverständige berechnet hierfür 61,88 Euro. Der Kfz-Haftpflichtversichererlehnte nun die Erstattung der Sachverständigenkosten ab.

Der BGH führt in diesem Zusammenhang überdeutlich aus:

Übersteigen die konkreten Kosten der – gegebenenfalls nachträglich – tatsächlich vorgenommenen Reparatur einschließlich der Nebenkosten wie tatsächlich angefallener Umsatzsteuer den aufgrund der fiktiven Schadensabrechnung zustehenden Betrag, bleibt es dem Geschädigten – im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Schadensabrechnung und der Verjährung – im Übrigen unbenommen, zu einer konkreten Berechnung auf der Grundlage der tatsächlich aufgewendeten Reparaturkosten überzugehen.

Bezogen auf die Reparaturbestätigung könne laut BGH allenfalls dann etwas Anderes gelten, wenn die Reparaturbestätigung aus Rechtsgründen zur Schadensabrechnung erforderlich ist, etwa im Rahmen der Abrechnung eines zusätzlichen Nutzungsausfallschadens. Die Reparaturbescheinigung könne dann als Nachweis der tatsächlichen Gebrauchsentbehrung erforderlich zur Rechtsverfolgung im Sinne des § 249 Abs.2 Satz 1 BGB sein. Entsprechendes könneauch im Fall der den Wiederbeschaffungsaufwand überschreitenden fiktiven Reparaturkosten für den Nachweis der verkehrssicheren (Teil-)Reparatur des Unfallfahrzeugs und damit des tatsächlich bestehenden Integritätsinteresses des Geschädigten gelten.

Der BGH stellt im Rahmen der Entscheidung also klar, dass bei der gewählten fiktiven Schadensberechnung keinen Anspruch auf Ersatz der Nebenkosten wie die Kosten für die Reparaturbestätigung oder die Umsatzsteuer besteht.

Aus meiner Sicht greifen die vom BGH genannten Ausnahmefälle für die Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Reparaturbestätigung schon deshalb zu kurz, da Schadensfälle durch den regulierenden Haftpflichtversicherer an das Hinweis- und Informationssystem (HIS) der deutschen Versicherungswirtschaft gemeldet werden. Im Falle eines weiteren Verkehrsunfalls muss durch den Geschädigten dann ggf. der Nachweis einer erfolgte Reparatur erbracht werden, um den Einwand des Vorschadens zu entkräften. Zudem schulden der Schädiger und damit der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer die Herstellung eines Zustands, so als ob das Schadensereignis nicht eingetreten wäre. Ohne das Schadensereignis wäre der Geschädigte aber auf eine Bestätigung durch den Sachverständigen überhaupt nicht angewiesen. Warum soll die Reparaturbestätigung also nicht ersatzfähig sein?(vgl. ebenso Dr. Thomas Almeroth, Anm. in NJW 2017, 1664, 1665; Prof. Dr. Christian Huber, Anm. in NZV 2017, 223, 225)

Noch beachtlicher ist aber, dass der BGH als Beispiel für Nebenkosten, die lediglich im Rahmen der konkreten Schadensberechnung erstattungsfähig sein sollen, explizit die Umsatzsteuer angesprochen hat. Die Frage, ob bei einer Eigenreparatur die Umsatzsteuer für die dafür erforderlichen Ersatzteile ersatzfähig sein soll, wurde ohnehin bereits wiederholt aufgeworfen.(vgl. beispielsweise RA Hermann Lemcke, Anm. in r+s 2017, 44, 47)Man muss die jetzige Entscheidung des BGH daher wohl so verstehen, dass dieser auch insoweit eine Vermischung von konkreter und fiktiver Abrechnung annimmt und die Erstattungsfähigkeit der Umsatzsteuer bei fiktiver Schadensberechnung ablehnt.

Es ist davon auszugehen, dass sich die Versicherungswirtschaft und die Amts- und Landgerichte an diesen Ausführungen des BGH orientieren werden und bei einer fiktiven Schadensberechnung nicht nur die Sachverständigenkosten für die Reparaturbescheinigung, sondern auch die Umsatzsteuer für nicht erstattungsfähig ansehen werden. Das Amtsgericht Mayen jedenfalls hat die Entscheidung des BGH zur Kenntnis genommen und bereits zu erkennen gegeben, dass es sich dessen Ausführungen anschließen wird.

6. Keine Halterhaftung der Bank

Kommt es zu einem Verkehrsunfall mit zwei beteiligten Fahrzeugen, so müssen sich die Fahrzeughalter gem. § 7 Abs. 1 StVG die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs mit einer Haftungsquote zuje 50% entgegenhalten lassen. Die Haftung aus Betriebsgefahrwird über § 17 StVG zulasten desjenigen Fahrzeughalters verschoben, der den Schaden vorwiegend verursacht hat.Bei einer Schadensverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge hängt im Verhältnis der Halter zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz also davon ab, inwieweit der Schaden von dem einen oder dem anderen Beteiligten verursacht wurde. Das Fehlverhalten des Fahrzeugführers wird dem jeweiligen Fahrzeughalter ebenso zugerechnet wie die Betriebsgefahr. Auf die Eigentümerstellung kommt es hierbei nicht an.

Sind die Fahrzeughalter und die anspruchsberechtigten Fahrzeugeigentümer identisch, funktioniert die Zurechnung unproblematisch. Sobald aber eines der beteiligten Fahrzeugefinanziert oder geleast ist, scheitertdie Zurechnung der Betriebsgefahr.

Denn ist das Fahrzeug finanziert, steht der Bankder Anspruch auf Schadenersatz zu, soweit das Fahrzeug sicherungsübereignet ist. Beim Leasing steht der Anspruch auf Schadenersatz der Leasinggesellschaft zu. Halter des Fahrzeuges ist aber der Darlehensnehmer bzw. der Leasingnehmer. Wenn vertraglich kein Schadenmanagementsystem vereinbart wurde, ermächtigen die Bank bzw. die Leasinggesellschaft regelmäßig den Darlehensnehmer bzw. Leasingnehmer den Schadenersatzanspruch im eigenen Namen geltend zu machen.

So auch in dem vom BGH mit Urteil vom 07.03.2017 – Aktenzeichen VI ZR 125/16 entschiedenen Fall.Hier war der Halter des an seine Bank sicherungsübereigneten Fahrzeugs von dieser ermächtigt worden, Schadensersatzansprüche gegen den Unfallgegner im eigenen Namen geltend zu machen.Weder ließ sich in der Beweisaufnahme der Hergang des Unfalls aufklären noch ließ sich ein Verschulden der jeweiligen Fahrzeugführer feststellen.Der BGH hat der für die Sicherungsbank geführten Klage daher zu 100 % stattgegeben.

Der BGH hält damit konsequent an seiner mit Urteil vom 10.07.2007 – VI ZR 199/06 zum Leasing getroffenen Entscheidung fest undstellt auch für den Sicherungseigentümer klar, dass sich dieser nicht die Betriebsgefahr aus § 7 Abs. 1 StVG entgegenhalten lassen muss. Der BGH wendet dabei streng dogmatisch das Gesetz an. So ist die Zurechnung gem. § 17 StVG nur dann möglich, wenn auch der Geschädigte nach den Bestimmungen des StVG haftet. Da aber die Bank als Sicherungseigentümerin nicht Halterin ist und damit auch nicht nach StVG haftet, scheidet eine Zurechnung aus. Wie beim Leasinggeber, der nicht Halter ist, besteht für die Gefährdungshaftung schlichtweg keine Zurechnungsnorm.

Es ist bezogen auf den nichthaltenden Sicherungseigentümer also strikt danach zu differenzieren, ob eine Zurechnung der Betriebsgefahr oder aber eines Verschuldens erfolgen soll.Nur im Fall eines festgestellten Verschuldens des Fahrzeugführers des sicherungsübereigneten Fahrzeugs wäre eine Zurechnung über § 9 StVG, § 254 BGB denkbar.