Bundesverfassungsgericht (Familienrecht): Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Kindesmutter über mutmaßlichen leiblichen Vater erfordert eigene gesetzliche Grundlage

zu BVerfG, Beschluss vom 24.02.2015 - 1 BvR 472/14.

1.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der der sogenannte Scheinvater (das ist nicht der leibliche Vater, sondern der gesetzliche Vater z.B: verheiratet mit der Mutter) gegen die Mutter einen auf § 242 BGB (Treu und Glauben) gestützten Anspruch auf Auskunft über den mutmaßlichen leiblichen Vater haben soll, ist verfassungswidrig. Dieser Auskunftsanspruch wurde bisher durch die Rechtsprechung anerkannt, um dann einen Unterhaltsregress zu führen.

Beispiel: Der mit der Mutter A verheiratete Ehemann B erfährt nach Jahren, dass er nicht der Vater ist. Er weiss aber nicht, wer der wirkliche – leibliche- Vater ist. Er will seinen für das Kind geleisteten Unterhalt zurück. Er will von seiner Frau wissen, „wer es war“. Der Bundesgerichtshof hatte einen solchen Anspruch auf Auskunft immer zuerkannt. Das Bundesverfassungsgericht entschied nun: eine gesetzliche Grundlage für einen solchen Anspruch auf Auskunft gibt es (noch ?) nicht. § 242 BGB ist eine solche Grundlage nicht. Der Bundesgerichtshof erkannte den Scheinvätern (bis jetzt) nämlich einen solchen Auskunftsanspruch aus § 242 BGB – das Recht,……… wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.,…… , - zu

Dies geht aus einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.02.2015 hervor:

2.

„Die Verpflichtung zur Preisgabe geschlechtlicher Beziehungen zu bestimmten Personen stelle eine schwerwiegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Mutter dar. Dafür bedürfe es einer hinreichend deutlichen gesetzlichen Grundlage, an der es fehle (Az.: 1 BvR 472/14)“

In dem Fall verpflichtete das Amtsgericht und das Oberlandesgericht eine Mutter zur Auskunftserteilung darüber, mit wem sie in der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr hatte. Dagegen legte die Frau Verfassungsbeschwerde ein und rügte eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

Das BVerfG sieht die Mutter durch die angegriffenen Entscheidungen des Amts- und Oberlandesgerichtes, die nach der Rechtsprechung des BGH entschieden, in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und hat der Verfassungsbeschwerde stattgegeben. Das OLG muss nun erneut in der Sache entscheiden. AG und OLG hätten die Tragweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verkannt. Dieses Grundrecht schütze mit der Privat- und Intimsphäre auch das Recht, selbst darüber zu entscheiden, ob, in welcher Form und wem Einblick in die Intimsphäre und das eigene Geschlechtsleben gewährt wird. Dies umfasse das Recht, geschlechtliche Beziehungen zu einem bestimmten Partner nicht offenbaren zu müssen. Zwar ist es laut BVerfG möglich, dass das finanzielle Regressinteresse eines Scheinvaters in bestimmten Konstellationen das Geheimhaltungsinteresse der Mutter etwa wegen ihres früheren Verhaltens überwiege, sodass eine Verpflichtung der Mutter zur Auskunftserteilung über die Person des leiblichen Vaters verfassungsrechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen sei. Im vorliegenden Fall hätten die Gerichte jedoch das Gewicht des Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin unzutreffend eingeschätzt.

Ob nun hier wieder „die Maschine für die Herstellung von Gesetzen“ in den das Fachgebiet betreffenden Ministerien anläuft, bleibt abzuwarten.