Vollstreckung "Schweizer" Knöllchen

Bei Geschwindigkeitsübertretungen in der Schweiz, die rechtlich eine Übertretung darstellen, liegt die Verjährung für die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung jeweils bei drei Jahren (Art. 109 CH-StGB). Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen, die grobe Verkehrsverstöße oder vorsätzliche Verletzungen elementarer Verkehrsregeln darstellen (Art. 90 CH-SVG), beträgt die Verjährung für die Strafverfolgung sieben Jahre und für die Strafvollstreckung fünf Jahre (Art. 97, 99 CH-StGB).

Die Verjährung der Verfolgung beginnt mit dem Tag, an dem der Täter die strafbare Tätigkeit ausführt. Bei der Vollstreckungsverjährung kommt es auf die Rechtskraft der abschließenden Entscheidung (Bußgeldbescheid, Strafbefehl, Urteil) an. Auf den Umwandlungsentscheid, mit dem die im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl festgesetzte Geldbuße in eine Freiheitsstrafe umgewandelt wird, kommt es nicht an. (Urteil d. Kassationshof v. 26.01.1979, BGE 105 IV 14)

Nach alter Rechtslage war es so, dass gem. Art. 75 Ziff. 2 Abs. 1 CH-StGB 2002 die Verjährung durch den Vollzug und durch jede auf Vollstreckung der Strafe gerichtete Handlung der Behörde, der die Vollstreckung obliegt, unterbrochen werden konnte. Die Strafe war dann in jedem Fall verjährt, wenn die ordentliche Verjährungsfrist um die Hälfte überschritten ist; d.h. unter Berücksichtigung der neuen längeren Verjährungsfristen entweder nach 4,5 Jahren bzw. nach 7,5 Jahren. Diese alte Rechtslage spukt im Internet noch herum. Die derzeitige Regelung in Art. 99 f. CH-StGB enthält keine entsprechende Vollstreckungsunterbrechung, so dass bei Übertretungen von einer absoluten Vollstreckungsverjährung von 3 bzw. 5 Jahren auszugehen ist.

Eine Vollstreckung in Deutschland über den Rahmenbeschlusses 2005/214/JI des Europäischen Ministerrates vom 24.02.2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen ist nicht möglich, da die Schweiz nicht zur Europäischen Union gehört.

Auch anderweitig scheitert eine Vollstreckung in Deutschland. Der am 01.03.2002 teilweise in Kraft getretene deutsch-schweizerische Polizeivertrag sieht zwar grundsätzlich die Vollstreckung von Geldbußen ab einem Betrag von 70 Schweizer Franken bzw. 40 Euro vor, jedoch sind just die Bestimmungen über die Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Straßenverkehrs (Kapitel VI des Vertrages) von der Geltung des Vertrages ausgenommen.

Anwendung findet aber Artikel 35 des Vertrages, der den Austausch von Mitteilungen aus dem Fahrzeugregister vorsehen. Die in einem schweizerischen Bußgeldbescheid benannte Person und der Halter des betreffenden Fahrzeuges müssen daher bei Nichtbezahlung der Geldbuße mit Problemen bei der Wiedereinreise in die Schweiz rechnen. Wurde die Umwandlung der Geldbuße in eine Ersatzhaftstrafe angedroht, muss unter Umständen mit der Verhaftung auf Schweizer Staatsgebiet gerechnet werden. Ausstehende Bußgelder können in der Schweiz bis zu fünf Jahre ab Rechtskraft des Bußgeldbescheides vollstreckt werden.

Die Schweiz hat aber nicht so kurze Arme, wie der eine oder andere jetzt glaubt. So bestehen Vollstreckungsabkommen mit Frankreich und Lichtenstein und ein solches mit Österreich, das voraussichtlich im Jahr 2016 in Kraft treten soll. Wer also in eines dieser Länder einreist, muss damit rechnen, dass er doch noch zur Kasse gebeten wird oder die Ersatzfreiheitsstrafe versucht wird durchzusetzen. Die Ersatzfreiheitsstrafe entfällt übrigens, soweit die Buße nachträglich bezahlt wird (Art. 106 CH-StGB).

Andreas J. Tryba
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verkehrsrecht
(Stand: 23.03.2016)